Das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA hat auf Bundesebene vor den Koalitionsverhandlungen auf drei Forderungen hingewiesen, die in den vergangenen Wochen nicht im Zentrum der öffentlichen Diskussion standen. Dazu gehört mit der Novellierung des Bundesberggesetzes eine lange bekannte Forderung der Umweltbewegung, die nichts an ihrer Aktualität verloren hat: „Eine Änderung des Bundesberggesetzes ist nicht etwa durch den Kohleausstieg hinfällig geworden. Noch immer drohen Enteignungen durch Kohletagebaue, aber auch die vom Abbau mineralischer Rohstoffe. Betroffenen fordern bundesweit eine Novellierung des Gesetzes. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten und der Rohstoffabbau in einem modernen Fachplanungsrecht geregelt werden.“ sagt Ulrich Wieland von der Bundeskontaktstelle Gesteinsabbau der GRÜNEN LIGA.
Seit der Veröffentlichung des Ampel-Sondierungspapiers mit seinem butterweichen „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehenden Kohleausstieg mahnen nicht wenige altbekannte Lausitzer Akteure davor, den in der Kohlekommission erreichten „gesellschaftlichen Konsens“ nicht aufzukündigen. Klingt erstmal nachvollziehbar, oder? Hier ist Denken in Zusammenhängen gefragt, an die kurz erinnert werden soll.
Nicht nur, dass die Staatskanzleien der Kohleländer 2018/19 hinter den Kulissen mehr Einfluss hatten als die offiziell stimmberechtigten Mitglieder auf der Showbühne Kohlekommission. Nicht nur, dass im Kohleausstiegsgesetz zugunsten der Braunkohle von den Empfehlungen der Kommission abgewichen wurde, wie acht Kommissionsmitglieder deutlich zu verstehen gaben. Das Problem liegt tatsächlich noch tiefer:
Am 1. September stellte das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW) im sächsischen Landtag eine Studie zur Bewertung des „Revierkonzeptes 2021“ der LEAG vor, die im Auftrag der Landtagsfraktion Bündnis90/Die Grünen erstellt wurde. Ziel war es, die Planung der LEAG unter energiewirtschaftlichen Aspekten auf Plausibilität zu prüfen. Dazu wurden unterschiedliche Szenarien zur Kraftwerksauslastung betrachtet. Zu den Kernergebnissen der Studie erklärte Prof. Dr. Pao-Yu Oei vom DIW und Co-Autor der Studie:
„Unsere Studie zeigt, dass selbst bei maximal denkbarer Auslastung der Kraftwerke kein Kohlebedarf besteht, der die Inanspruchnahme des Sonderfelds Mühlrose rechtfertigt. Im Gegenteil, es sind sogar weitere Tagebauverkleinerungen im Lausitzer Revier notwendig. Dies gilt selbst im Falle eines späten Kohleausstiegs im Jahr 2035 oder 2038.“
Cottbus, 30.08.2021. Der Sonderausschuss zur Strukturentwicklung in der Lausitz tagt am Mittwoch, den 1. September in der Brikettfabrik Louise in Domsdorf (Elbe-Elster). Einer der Schwerpunkte der Landtagsauschusssitzung soll die zivilgesellschaftliche Teilhabe sein. Im Vorfeld üben Lausitzer Vereine Kritik: „Eine Förderung, die ihren Namen auch verdient, steht immer noch aus, obwohl es im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Auch ein entsprechender Landtagsbeschluss wartet noch auf eine Umsetzung“, kritisiert Dr. Martin Kühne, Vorstand der Umweltgruppe Cottbus (UGC). Um ihre Forderung nach einem Förderprogramm und einem Beirat zu untermauern, haben sich die Vereine nun an den Landtagsauschuss gewandt. Bereits vor über einem Jahr haben Lausitzer Vertreter*innen aus Kirche, Kultur, sowie Umweltgruppen und weitere Vereine ein konkretes Konzept zur Förderung der Zivilgesellschaft im Strukturwandel an die Brandenburgische Landesregierung übermittelt.
Das Schema kommt aus früheren Lobby-Kampagnen bekannt vor: Egal, was das Problem ist, Braunkohletagebau ist die Lösung. Aktuell sind Starkniederschläge und Flutkatastrophen als Problem in aller Munde. Laut einem RBB-Bericht von vergangener Woche (brandenburg aktuell vom 12.08.) gibt es nun einen Vorstoß des „Wasser Cluster Lausitz e.V.“, zusätzliche Speicher insbesondere in den Tagebauen der LEAG anzulegen, also des Unternehmens, mit dem auffallend viele Wassercluster-Vorstandsmitglieder engstens verbunden sind. Solange Flutungswasser die LEAG nichts kostet, sind große Wasserflächen allerdings immer auch die preiswerteste Form der Rekultivierung, mehr Landfläche erfordert dagegen die Herstellung von Standsicherheit und ertragsfähigen Böden. Ob es da Zusammenhänge zur Wassercluster-Empfehlung gibt? Das vermutet zumindest ein heute erschienener Artikel auf energiezukunft.de. Keine Frage, über die Anlage zusätzlicher Speicher im Spreegebiet muss gründlich und sachlich diskutiert werden. Aber dabei müsste eben auch sichergestellt sein, dass Expertenmeinungen nicht von Wirtschaftsinteressen gesteuert werden.
Auch nach Überarbeitung der Antragsunterlagen durch die Betreiber sieht das „Aktionsbündnis contra MVA“ die geplante Müllverbrennungsanlage am Kraftwerkstandort Jänschwalde als nicht genehmigungsfähig an. Als Gründe wurden negative Umweltauswirkungen und erhebliche Mängel beim Brandschutz angeführt. Das Aktionsbündnis hat zusammen mit den betroffenen Gemeinden einen Gutachter beauftragt und die neuen Antragsunterlagen prüfen lassen. Eine entsprechende Mustereinwendung wurde am 12. August in Jänschwalde bei einer Infoveranstaltung vorgestellt. Einwendungen sind noch bis zum 30. August möglich. Dabei können die jeweilige persönliche Betroffenheit oder weitere Argumente noch in das Schreiben eingefügt werden. Das Brandenburger Landesamt für Umwelt hatte im Frühsommer dieses Jahres die vorliegenden Antragsunterlagen geprüft und Mängel festgestellt. Der Braunkohleverstromer LEAG und der französische Müllkonzern Veolia mussten daraufhin die Unterlagen überarbeiten.
02.08.2021: Bei der Bundesmitgliederversammlung der GRÜNEN LIGA im März 2019 hatte der Hydrologe Udo Mellentin das Dürrejahr 2018 ausgewertet, aber auch die klimatologischen Zusammenhänge dargestellt. Viel zu wenige haben vor zwei Jahren diesen aufrüttelnden Vortrag gehört. In seinen Thesen zu den Extremereignissen in 2014 – 2018 hatte Mellentin – im Einklang mit der weltweiten Klimawissenschaft - „regional immer stärker ausgeprägte Trockenheit, Dürre und Hitze“ und „zeitgleich hohe Niederschlagssummen und extremes Hochwasser innerhalb Europas“ konstatiert.
Indem der Strahlstrom (jet stream) schwächer werde und stärker mäandriere, führe der Klimawandel zu verstärkten „Omega-Strukturen“: Über Wochen rühren sich die heißen und trockenen Hochdruckgebiete nicht von der Stelle, während es östlich und westlich davon kühler und feuchter ist als im langjährigen Mittel. Mit dem Klimawandel könnten also die bisher normalen Jahre zur Ausnahme werden: Regelmäßig dürfte man sich entweder auf der feuchten oder auf der trockenen Seite der Omega-Struktur befinden. Die Wahl fällt dann zwischen Beduinentuch und Regenmantel, eine Sommerjacke wird immer seltener benötigt.
Dieses Muster hat sich offenbar im Juli 2021 wiederholt. Nur dass die Dürre diesmal in Amerika und Russland stattfand und die Tiefdruckgebiete sich über Mitteleuropa drehten, ohne dabei vorwärts zu kommen. So bekamen die Hochwassergebiete in Westdeutschland letztlich sämtliches Wasser ab, das sich im bisherigen durchschnittlichen Wettergeschehen bis weit nach Osteuropa verteilt hätte. Auch die Lausitz und damit das Spreegebiet lag eigentlich noch auf der feuchten Seite des Omegas, also im Einfluss der Tiefdruckgebiete und erlebte seit Ende Juni 2021 eine Regenfront nach der anderen. Es ist absurd, aber das Hochwasserjahr hat in unserem Teil Deutschlands noch nicht einmal zu überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen geführt:
Die aktuelle Ausgabe des Spiegels (26/2021) widmet sich in einem zweiseitiges Artikel dem tschechischen Milliardär Daniel Křetinský, dem Eigentümer des EPH-Konzerns und damit der LEAG. Der Artikel „Der Schrotthändler und sein Imperium“ versucht die Strategie des Investors zu beleuchten. Dafür wurde auch eines der wenigen Interviews mit Křetinský geführt, der ansonsten als medienscheu gilt. (Artikel hinter Bezahlschranke) Am 29. Juni veröffentlichte das Recherchenetzwerk Correctiv seine Recherche „Kohleausstieg: Das Milliardengrab der Lausitz“. Hier stehen die Folgekosten der LEAG-Tagebaue im Mittelpunkt, die auf die Steuerzahler*innen abgewälzt zu werden drohen. Neben zahlreichen anonymen Informanten aus Behörden und Ministerien kommt auch Dr. Martin Kühne von der Umweltgruppe Cottbus zu Wort.
Wasserbewirtschaftungsplan der Bundesländer ignoriert den Kohleausstieg
Cottbus, 01.07.2021. Das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA kritisiert die geplante Entnahme von Spreewasser für das Kraftwerk Jänschwalde als unverantwortlich. In wenigen Jahren will der Kraftwerks- und Tagebaubetreiber LEAG offenbar beginnen, Wasser aus der Spree zu entnehmen, um es im Kraftwerk Jänschwalde als Kühlwasser zu verbrauchen. Das ergab eine Akteneinsicht der GRÜNEN LIGA beim Landesamt für Umwelt Brandenburg. Die GRÜNE LIGA veröffentlichte heute ihre Stellungnahme zum Umgang mit der Braunkohle in der Wasserbewirtschaftungsplanung der Bundesländer.
„Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie knapp das Wasser der Spree ist. Nun soll ausgerechnet für weitere Braunkohleverstromung plötzlich Wasser übrig sein. Das ist das Gegenteil dessen, was die Spree dringend braucht!“ sagt René Schuster von der Bundeskontaktstelle Braunkohle der GRÜNEN LIGA.
Am 22. Juni 2021 reichte die Umweltgruppe Cottbus als Bundeskontaktstelle Braunkohle des Umweltnetzwerkes GRÜNE LIGA die folgende Stellungnahme zum Entwurf des Bewirtschaftungsplanes und Maßnahmenprogrammes der Flussgebietsgemeinschaft Elbe für die Jahre 2022-2027 ein:
Zur Pressemitteilung vom 1. Juli 2021 und der Präsentation auf der Online-Pressekonferenz
Mit großen Worten wurde bei der Vorstellung der „Lausitz-Kommission“ am 10. Juni in Hoyerswerda nicht gespart. Doch eine rechtliche Anbindung oder staatlichen Auftrag hat das neueste in einer längst unübersehbaren Anzahl von Strukturwandelgremien wohl nicht. Über die Presse kann man lediglich die Namen der Mitglieder erfahren und unkonkrete Aussagen wie man wolle den „Lausitzer Strukturwandel begleiten“. Die Zusammensetzung lässt allerdings ahnen, woher der Wind wehen könnte: So findet man neben der Bürgermeisterin von Spremberg (mit Industriepark Schwarze Pumpe) einen als LEAG-Mitarbeiter bekannten Vertreter des Lobbyvereins Pro Lausitzer Kohle, einen ehemaligen LEAG-Mitarbeiter für die Gewerkschaften und mit Veolia just die Firma, die mit der LEAG eine Müllverbrennungsanlage bauen will. Vertreter von Umweltverbänden, Tagebaubetroffene oder Strukturwandelvereine gehören der Lausitzkommission nicht an. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor allem Druck gemacht werden soll, doch noch Großunternehmen (wie die LEAG) einfacher an Strukturwandelgelder kommen zu lassen.
„Mai kühl und nass“ füllt wohl auch 2021 in der Niederlausitz den Bauern Scheun und Fass, denn zumindest die obere Bodenschicht, aus der sich die Feldfrüchte und Wiesengräser versorgen, dürfte der Niederschlag sehr viel besser als in den vergangenen zwei Jahren versorgt haben. Allerdings war es längst nicht so feucht, wie von vielen subjektiv wahrgenommen: 136 % des langjährigen Mittels im Mai nach 80 % im April (Station Cottbus) sind noch keine Sintflut. Ergiebige Niederschläge Anfang Juni? Soll es in großen Teilen Deutschlands gegeben haben. Die Niederlausitz als schon immer kontinentale Ecke von Deutschland hat davon aber praktisch nichts abbekommen und wendet ungestört das aus den Mainiederschlägen gewachsene Heu. In den ersten elf Junitagen vermeldet die Wetterstation Cottbus 0,2 Millimeter, fehlen also noch 64,5 zum langjährigen Juni-Mittel. Nach einem Dürresommer sieht es aktuell zwar nicht aus, aber was wäre, wenn künftig die feuchten Jahre nur noch das sind, was früher der Durchschnitt war? Dann droht Brandenburg in wenigen Jahren ein Wassernotstand und drastische Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserreserven sind unumgänglich.