Der Umgang mit Wassermangel in der Spree wird die Lausitz für Jahrzehnte prägen. Jetzt fehlt das Wasser, dass die Tagebaue jahrzehntelang aus dem Spreegebiet abgepumpt haben. Als Verursacher müsste deshalb der Kohlekonzern LEAG an den dauerhaften Kosten des Niedrigwassermanagements beteiligt werden. Nun mehren sich die Versuche, die Folgen des Kohleabbaus zu Folgen des Kohleausstieges umzudeuten. Dabei geht es um Kosten in Milliardenhöhe, die zwischen Steuerzahler und Tagebaukonzern aufzuteilen sind. Dieser Artikel soll einige Hintergründe dieser Diskussion beleuchten.
Am 8. Januar 2021 veröffentlichte der SPIEGEL einen Artikel „Renaturierung der Tagebaue: Umweltbundesamt vergibt sensible Studie an Kohleunternehmen“ Demnach soll von einem Konsortium bestehend aus regelmäßig im Auftrag der LEAG tätigen Gutachterfirmen unter Führung einer 100prozentigen Tochterfirma der LEAG (gmb) letztlich „der Umfang der nicht von den Tagebaubetreibern zu leistenden wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ermittelt werden“.
Pflichten der LEAG bis heute unklar
Das klingt vielleicht unproblematisch, wenn man annimmt, dass die vom Tagebaubetreibenden zu leistenden Maßnahmen längst festgelegt wären. Sinnvoll wäre das ohne Zweifel, allerdings ist genau das nicht der Fall. Die Genehmigung von Tagebauen funktioniert in Deutschland nach dem Salami-Prinzip: Das Gesamtvorhaben wird mit einem Rahmenbetriebsplan abgesteckt. Das passierte für alle heutigen LEAG-Tagebaue noch in der ersten Hälfte der 1990er Jahre ohne jede Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltprüfung. Der Abbau selbst wird in Zweijahresscheiben (Hauptbetriebspläne) zugelassen.(1) Die Tagebaufolgen regeln erst zwei weitere Genehmigungen endgültig: Im Abschlussbetriebsplan und bei der Planfeststellung von Tagebauseen muss die Bergbehörde der LEAG alle diejenigen Auflagen erteilen, mit denen die Folgeschäden des Kohleabbaus vermieden oder minimiert werden. Doch für die vier noch aktiven LEAG-Tagebaue liegt keine dieser Genehmigungen bisher vor. Die LEAG scheint sie auch nach Belieben verzögern zu können. So ist es auffällig, dass drei Jahre vor dem geplanten Auslaufen des Tagebaues Jänschwalde noch immer kein Abschlussbetriebsplan-Antrag eingereicht war.
Die vom Tagebaubetreiber zu leistenden Maßnahmen sind also noch nicht bekannt. Wenn die LEAG-Gutachter nun in einer Studie für das Umweltbundesamt aufschreiben, welche das ihrer Meinung nach sein werden, dann besteht zweifellos die Gefahr, dass der Bund freiwillig Kosten übernimmt, die die Bergbehörde (später) eigentlich der LEAG auferlegen müsste. Zu lasche Auflagen der Bergbehörden könnten zudem gerichtlich überprüft werden – wird die Entscheidung auf das jetzt vergebene Gutachten verlagert, droht das praktisch wegzufallen. Die LEAG dürfte also ein riesiges Interesse an Einfluss auf diese Studie haben.
Mammutprojekte in Sicht
Um die Kosten welcher Maßnahmen könnte es konkret gehen? Drei Beispiele:
Die Überleitung von Elbewasser in das Spreegebiet ist ein Gedanke, den der staatliche Bergbausanierer LMBV schon 2009 in einer Machbarkeitsstudie untersuchen ließ. Was im übrigen schon ein Beleg dafür ist, dass es sich nicht um eine Folge des 2020 beschlossenen Kohleausstieges handeln kann. Im Umweltausschuss des Bundestages wurden Kosten von 500 Millionen Euro genannt, die Machbarkeitsstudie selbst ist aber aus unbekannten Gründen unter Verschluss. Die Elbewasserüberleitung würde auch der LEAG ganz direkt nutzen, denn so stiege insbesondere die Chance, dass der Spree überhaupt das Wasser zur Flutung der Restseen jetzt noch aktiver Tagebaue entnommen werden kann. Dass sich die LEAG aber auch an den Kosten beteiligen würde, ist nicht bekannt. Umstritten ist zudem, ob die Elbe das Wasser überhaupt entbehren kann.
Die LMBV plant mit Bundesgeldern eine unterirdische Dichtwand aus Ton um den ehemaligen Tagebaues Lohsa II. Sie soll das chemisch veränderte Grundwasser daran hindern in die Spree einzusickern. Bei den privaten Tagebauen der LEAG könnte in einigen Jahren dieselbe Notwendigkeit bestehen, mahnt das „Aktionsbündnis Klare Spree“. Die Kosten eines solchen Bauwerks dürfte der Konzern aber bisher nicht einkalkuliert haben.
Schließlich wird das konkrete Auslaufen der vier LEAG-Tagebaue selbst enorme Auswirkungen auf den Wasserhaushalt haben. Tagebauseen sind zusätzliche „Wasserzehrgebiete“ mit Wirkung über Jahrhunderte. Zwar sind die Löcher gebaggert und die Anlage von Seen kaum noch vermeidbar. Bei unabhängiger Betrachtung könnte aber herauskommen, dass möglichst wenig baggern und möglichst kleine Seen anlegen der nachhaltigste Weg zur Begrenzung des Problems ist.
Diener zweier Herren?
Das vom UBA vergebene Gutachten ist kein Einzelfall: Schon seit Jahren beraten Gutachter der Tagebaubetreiber auch die Behörden. So ist es nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie verboten, den Zustand von Grund- oder Oberflächengewässern zu verschlechtern. Braunkohlentagebaue verstoßen natürlich gegen dieses Verbot, denn sie pumpen Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr aus dem Untergrund. Beantragt die LEAG eine neue Tagebaugenehmigung, kommt es also darauf an, ob eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gemacht werden kann. Das Ingenieurbüro für Wasser und Boden Dr. Uhlmann kommt im Auftrag der LEAG etwa beim Tagebau Nochten zu dem Schluss, dass alle im Wasserhaushaltsgesetz aufgezählten Voraussetzungen für eine Ausnahme vorliegen. Dazu gehört etwa, dass „alle praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern“.(2)
Was geeignet, durchführbar und angemessen ist, bestimme der Stand der Technik.(3) Und was in dieser Frage Stand der Technik ist, bestimmt ein Hintergrundpapier im Auftrag der Bundesländer im Elbe-Einzugsgebiet, der Flussgebietsgemeinschaft Elbe. Dieses Hintergrundpapier verfasste allerdings das Ingenieurbüro für Wasser und Boden Dr. Uhlmann selbst und aktualisierte es gerade erst (4), während es gleichzeitig am „Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie“ für den Antrag der LEAG zum Tagebau Nochten schrieb.
Das Büro beurteilt die Verträglichkeit von Tagebauen mit dem Schutz des Wassers also gleichzeitig für die Behörden und die LEAG. Auch am Konsortium für die nun vergebene UBA-Studie ist es beteiligt.
Bei der Modellierung des Wasserhaushaltes gibt es ausgesprochen viele Annahmen und Stellschrauben, mit denen sich Ergebnisse beeinflussen lassen. Um zu garantieren, dass keine interessengeleitete Einflussnahme stattfindet, müsste praktisch ein zweites Gutachterteam den gleichen Zeitaufwand investieren um alle diese Stellschrauben zu überprüfen. Besser vermeidet man Interessenkonflikte von vornherein.
Fußnoten:
(1) Ein Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums schlägt aktuell gewisse Änderungen vor, die für diesen Artikel aber nicht entscheidend sind.
(2) § 31 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz
(3) Fachbetrag Wasserrahmenrichtlinie für das Vorhaben Verlängerung des Rahmenbetriebsplans für das Vorhaben Weiterführung des Tagebaues Nochten 1994 bis Auslauf, 25.10.2019, S. 167
(4) „Das hier vorgelegte Dokument basiert in den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 sowie den Anlagen im Wesentlichen auf einem Fachgutachten des Instituts für Wasser und Boden Dr. Uhlmann, das im Auftrag der FGG Elbe erstellt wurde“ Weniger strenge Bewirtschaftungsziele für die im deutschen Teil der Flussgebietseinheit Elbe und der koordinierten Flussgebietseinheit Oder durch den Braunkohlenbergbau und den Sanierungsbergbau beeinflussten Grundwasserkörper, S. 9 https://beteiligung.fgg-elbe.de/bp/PDF-Anlagen/Anhang_5-4-2_WSUZ_Braunkohle_GWK.pdf