1. Seit gestern steht der Tagebau Jänschwalde still
2. Sachsen und Brandenburg haben gewählt: kein Kohle-Bonus für die AfD
3. Sonderausgabe der „Nochten heute“ zu Mühlrose erschienen
4. Spiegel online: Warum ein ehemaliger Kumpel gegen die Kohle kämpft
5. ZEIT online: DDR-Umweltbewegung und Fridays For Future
Am Freitag mittag stoppte das Verwaltungsgericht Cottbus aufgrund eines Eilantrages von Deutscher Umwelthilfe und GRÜNE LIGA bis auf weiteres den Tagebau Jänschwalde. Er befindet sich seit Sonntag im sogenannten Sicherheitsbetrieb, um sicherzustellen, dass die Böschungen nicht ins Rutschen kommen und ein späterer Weiterbetrieb grundsätzlich möglich bleibt.
Nach Einschätzung von Juristen handelt es sich um den ersten, unmittelbar und ausschließlich aufgrund von Naturschutzgründen verfügten Tagebaustopp in Deutschland. Hier die gemeinsame Pressemitteilung von Deutscher Umwelthilfe und GRÜNE LIGA dazu.
Eigentlich wird damit nur die schon Ende Juni ergangene Gerichtsentscheidung umgesetzt. Doch erst Ende August war klar, dass die LEAG die fehlende Prüfung der Verträglichkeit mit europäischem Naturschutzrecht nicht vor dem 1. September nachholen kann. Offenbar fällt es ihr immer schwerer, bei dieser Prüfung zum gewünschten Ergebnis zu kommen.
Aus der Lausitz wie auch bundesweit erreichten uns schon am Freitag einige Gratulationen. Tatsächlich wäre uns aber ein weitsichtiges und rechtzeitiges Agieren der Behörden viel lieber gewesen als kurzfristige Gerichtsentscheidungen. Doch darauf hofften wir in Brandenburg vergeblich und mussten nun dem jahrelangen Schaffen rechtswidriger Tatsachen endlich Einhalt gebieten.
Nach Angaben der LEAG wird der Tagebaustop mindestens zehn Wochen bestehen. Danach wird das Unternehmen ggf. eine Verträglichkeitsprüfung nachreichen, die dann von den Behörden zu prüfen ist. Auch ein neuer Antrag für einen Hauptbetriebsplan 2020 kann noch gestellt werden. Doch ob dabei eine Umweltverträglichkeit des Tagebaues durch findige Gutachter herbeigeschrieben werden kann, ist fraglich.
Die LEAG-Beschäftigten haben darauf vertraut, dass der Tagebau nach Recht und Gesetz geführt wird – sie sind von den Entscheidungsträgern schwer enttäuscht worden. Bereits im Frühjahr 2010 haben wir intensiv darauf hingewiesen, dass der Bau einer Grundwasserabdichtungswand nördlich des Tagebaues möglich und notwendig ist. Unternehmen und Bergbehörde haben diesen Hinweis ignoriert. Der Konflikt zwischen Tagebau und geschützten Feuchtgebieten wurde sehenden Auges immer weiter verschärft. Der Stillstand des Tagebaues ist die direkte Folge der damaligen Fehlentscheidung.
Dabei ging es uns nie, wie von einigen jetzt gern behauptet wird, um den sofortigen Stopp der gesamten Tagebauentwässerung. Uns ist klar, dass der Tagebau nicht einfach mit Wasser volllaufen kann, solange das eigentliche Gerichtsverfahren (Hauptsacheverfahren) noch gar nicht entschieden ist. Verhindern wollten wir mit unserem Eilantrag vom 1. Februar (!) die Inbetriebnahme zusätzlicher Entwässerungsbrunnen, durch die sich die Grundwasserabsenkung weiter auf die FFH-Gebiete zu bewegt. Inzwischen wurden schon acht Monate lang auf Grundlage eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheides Tatsachen geschaffen.
Hier haben wir wichtige Hintergründe zum Rechtsstreit um den Tagebau Jänschwalde zusammengestellt. (Foto: C. Huschga)
Zur Analyse des Wahlergebnisses ließen sich viele Seiten verfassen. Da das aber schon viele andere tun, konzentrieren wir uns darauf, den oft behaupteten Zusammenhang von Kohlepolitik und den Ergebnissen von AfD und Grünen jetzt mal an den harten Zahlen zu überprüfen.
In Brandenburg haben die Zeitungskommentatoren sich in den letzten Wochen so sehr darin gefallen, die Grünen hoch- und die SPD runterzuschreiben, dass es sich schon etwas von der Realität entfernte. Das weiß man jetzt nach dem Wahlabend. Dennoch erreichen die Grünen mit 10,8 % das bisher beste Ergebnis in einem ostdeutschen Flächenland. Dass sie auch in der Lausitz deutlich dazugewinnen, ist durchaus mitteilenswert, nachdem der Kohleausstieg eine zentrale Rolle in ihrer Wahlkampagne gespielt hat. So haben die Grünen die absolute Stimmenzahl in beiden Cottbuser Wahlkreisen mehr als verdoppelt und kommen dort auf 8,6 bzw. 7,9 %. Im Spree-Neiße-Kreis fallen die Zugewinne verhaltener aus, sind aber trotzdem vorhanden.
Die AfD ist in den Lausitzer Wahlkreisen bei den Zweitstimmen stärkste Kraft geworden. Das auf die Haltung zur Kohle zurückzuführen, geht allerdings an der Realität vorbei. Dem Bild von der Lausitz, die stramm zu Kohle steht, scheint die AfD selbst nicht ganz vertraut zu haben, denn sie stützte ihre Kampagne in Brandenburg überhaupt nicht auf dieses Thema: Weder auf Plakaten, noch in Postwurfsendungen oder Anzeigen der Partei kamen die Worte „Kohle“ oder „Klima“ vor. Im Wahlkreis des Ministerpräsidenten Woidke (WK 41) liegt zwar das Kraftwerk Jänschwalde, aber gleichzeitig auch der Raum Guben/Schenkendöbern, der sich 2007 bis 2017 fast geschlossen gegen den geplanten Tagebau Jänschwalde-Nord gewehrt hat. Dort erreicht die AfD ihre Wahlergebnisse vermutlich nicht wegen, sondern trotz ihrer Kohlepolitik.
Ein Anstieg der absoluten Wählerzahl der AfD seit der Bundestagswahl 2017 ist in Cottbus und Spree-Neiße nicht zu verzeichnen. Damals wählten hier 34.905 Wähler die AfD, am 1. September 2019 im gleichen Gebiet noch 34.428. (Wahlkreise 41 bis 44 plus Kolkwitz, Drebkau und Amt Burg/Spreewald) Damit hat weder das Ergebnis der Kohlekommission, noch der zwei Tage vor der Wahl entschiedene Stop des Tagebaues Jänschwalde im Vergleich zu vor zwei Jahren zusätzliche AfD-Wähler mobilisiert. Die meist gestiegenen Prozentzahlen kommen also daher, dass mehr Wähler anderer Parteien zuhause geblieben sind. Mit Ausnahme der Grünen, die 2017 noch 4093 und jetzt 6.931 Wähler in Cottbus und Spree-Neiße verbuchen konnten.
AfD-Kandidat Steffen Kubitzki hat bei einer Podiumsrunde unfreiwillig offenbart, dass er sich mit dem wichtigsten in Brandenburg umstrittenen Kohleprojekt nie ernsthaft beschäftigt hat. Für einen Kraftwerker, der gegen Ministerpräsident Woidke kandidierte, ist das durchaus bemerkenswert. Hier ein Wortwechsel auf dem Wahlforum des sorbischen Dachverbandes Domowina am 13. August 2019, wo nach der Umsiedlung von Proschim gefragt wurde:
Kubitzki (AfD): „Klar, wär schön wenn's stehenbleibt.“
Dannenberg (LINKE): „Aber Sie haben gesagt, die Kohle soll weitergehen. Na was denn jetzt?“
Kubitzki (AfD): „Na klar, soll die Braunkohle erstmal weitergehen, bis wir die Grundlagen geschaffen haben“
Dannenberg (LINKE): „Also bedeutet das aber abbaggern“
Kubitzki (AfD): „Ich weiß doch nicht, wann das Dorf dran is“
(Sorbische Sonntagssendung des RBB vom 18.08.2019, O-Ton ab Minute 19:25)
Bei den Auftritten von Björn Höcke und Robert Habeck an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in Cottbus beobachtete eine Journalistin der WELT, dass nur bei der Habeck-Veranstaltung (kontrovers) über Braunkohle diskutiert wurde und fasst ihren Eindruck so zusammen: „Obwohl sie in der gleichen Stadt wohnen, schien keiner der Cottbuser im Saal und auf dem Platz die Themen der anderen vermisst oder auch nur auf dem Schirm zu haben.“ (Kommen zwei Politiker nach Cottbus, Die WELT, 07.08.2019, S. 8) Auch das spricht dafür, dass nur für einen geringen Teil der AfD-Wähler die Kohlepolitik wahlentscheidend gewesen ist.
Die politischen Verhältnisse in Ostsachsen sind dadurch gekennzeichnet, dass AfD und CDU jeweils mehr als 30 % der Stimmen erreichten, wobei mal die eine und mal die andere Partei vorn liegt und alle anderen Parteien einstellige Ergebnisse erreichen. Dieses Muster zieht sich durch die gesamte Osthälfte des Freistaates mit Ausnahme der Großstadt Dresden. Die Grenze des Kohlerevieres lässt sich in den Wahlergebnissen auch bei genauem Hinsehen nicht wiederfinden. Im Gegenteil: Die Linke, in Sachsen eindeutiger kohlekritisch verortet als in Brandenburg, erzielt ihr einziges zweistelliges Ergebnis im Wahlkreis Görlitz mit 11 % gerade in Weißwasser, das als besonders vom Kohle-Strukturwandel betroffen gilt. Die höchsten AfD-Ergebnisse auf Gemeindeebene liegen außerhalb des Kohlereviers, etwa in Puschwitz mit 43,8% oder Neißeaue mit 48,4 %.
„Nochten heute“, die Zeitschrift des Aktionsbündnisses Strukturwandel jetzt – kein Nochten 2 ist in der vergangenen Woche mit einer Sonderausgabe zur Umsiedlung von Mühlrose erschienen. Darin wird den Betroffenen bewusst gemacht, dass der Tagebau Nochten-Sonderfeld derzeit weder beantragt noch genehmigt ist. Bisher wurden die Einwohner überwiegend von LEAG, Gemeinde und Staatsregierung informiert, wobei der Tagebau stehts als unabwendbar erscheint. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit eines Kohleabbaus im Nochtener Sonderfeld schon mit den Empfehlungen der Kohlekommission im Januar rapide gesunken.
Spiegel online hat am 26. August in einem fünfminütigen Filmbeitrag den Proschimer Erhard Lehmann vorgestellt, der selbst über 20 Jahre "in der Kohle" gearbeitet hat.
Der ZEIT-online-Beitrag über die Baumpflanzaktionen der DDR-Umweltbewegung fragt auch nach Parallelen zu Fridays for Future.