Im Jahr 1993 wurden schon einmal Weichen für die Energieversorgung mehrerer Jahrzehnte gestellt. Als die Bergbaugewerkschaft IG BE (heute IGBCE ) gegen den Bau eines Gaskraftwerks in Potsdam demonstrierte und vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze warnte, entstand eine Drohkulisse, unter der sich die Cottbuser Stadtverordneten für ein Braunkohle-Heizkraftwerk entschieden. (1) Als besonders innovative Kraftwerkstechnik („druckaufgeladene Wirbelschichtfeuerung“) wurde es als Exponat der Weltausstellung EXPO 2000 gefeiert. Es folgten Havarie auf Havarie und monatelange Stillstandszeiten, da diese Technik für den Brennstoff Braunkohle nicht ausgereift ist. Auch deshalb machten die Cottbuser Stadtwerke jährlich zweistellige Millionenverluste (2) und mussten letztlich an eine Bank veräußert werden. Die Lausitz-Metropole ist nun hoch verschuldet, unterliegt massiven Sparauflagen und baut Stellen in der Verwaltung ab. Cottbus hält noch unter 20 Prozent an seinen Stadtwerken und versucht sie langfristig zu sanieren. An Wartung und Reparatur verdiente derweil auch das Vattenfall-Tochterunternehmen VPC mit. Ende 2008 begann Vattenfall, mit Zeitungsanzeigen den Stadtwerken massiv Kunden abzuwerben. Damit fällt der Konzern denen in den Rücken, die seinen Braunkohle-Kurs bisher stets unterstützten.
(1) vgl. Lausitzer Rundschau, 27.10.1993
(2) Lausitzer Rundschau, 9.11.2005, S.11 (Lokalseite Cottbus)
Das sorbisch-deutsche Dorf Drehnow nördlich von Cottbus entschied sich einen Windpark zu errichten. Die Gemeinde schuf selbst das Baurecht und bot den Standort über einen städtebaulichen Vertrag potenziellen Investoren an. Errichtet wurden bisher sieben Anlagen in den Jahren 2002/03. Durch eine Einmalzahlung und die jährliche Pacht schreibt die Gemeinde im Unterschied zu den meisten Kommunen des Umlands tiefschwarze Zahlen. Im Jahr 2009 zahlt Drehnow jedem Neugeborenen aus dem Gemeindehaushalt 1000 Euro Begrüßungsgeld. Die erste Hälfte des Geldes wird nach der Geburt gezahlt, die zweite zum Besuch des Kindergartens. (3) Künftig werden zudem die Standorte von Windkraftanlagen stärker von der Gewerbesteuer profitieren, die bisher am Firmensitz des Betreibers entrichtet wurde. Der Bundestag beschloss, dass die Gewerbesteuer künftig zu 70 Prozent nach dem Sachvermögen und zu 30 Prozent nach Arbeitslöhnen verteilt wird. (4)
(3) Lausitz am Sonntag, 30.11.2008
(4) Lausitzer Rundschau, 29.11.2008, S.10
Wie die Lausitzer Rundschau am 18.9.2008 berichtete, sinken bereits 2008 die Gewerbesteuereinnahmen aus der Braunkohlenwirtschaft deutlich. Hintergrund ist der Emissionshandel: In den Jahren 2005 – 07 waren den Energiekonzernen Verschmutzungszertifikate kostenlos zugeteilt worden, woraus auf Kosten der bundesweiten Stromverbraucher riesige Gewinne („windfall-Profits“) gemacht wurden. Einige Lausitzer Kommunen, vor allem Cottbus und die Kraftwerksstandorte Teichland und Spremberg hatten über die Gewerbesteuer daran mitverdient. Doch das ändert sich: mit weniger kostenlosen Zertifikaten in der zweiten Handelsperiode 2008 –2012 sinken die Gewinnspannen der Kohlekraftwerke, weil für hohen CO 2-Ausstoss nun tatsächlich Zertifikate zugekauft werden müssen. Eine weitere – vorraussichtlich drastische – Verschärfung wird im Jahr 2013 mit Beginn der dritten Handelsperiode eintreten. Lange vor dem geplanten Aufschluss der neuen Tagebaue wird der finanzielle Gewinn der Region aus der Braunkohle damit deutlich gesunken sein. Kommunen, die auf Erneuerbare Energien gesetzt haben, können dagegen über 20 Jahre kalkulierbare Einnahmen vorweisen.
Gern sprechen Politiker von vielen tausend Braunkohle-Arbeitsplätzen in der Lausitz, meist bleibt aber völlig unklar, wo diese Zahlen herkommen „In der Lausitz“ bezieht dabei den sächsischen Teil mit ein, wo es derzeit kein Volksbegehren gibt. In Brandenburg gab es laut einer im Auftrag von Vattenfall erstellten PROGNOS -Studie (5) am 31.12.2004 genau 4190 direkt in der Braunkohlewirtschaft Beschäftigte. Seither dürfte deren Zahl auf unter 4 000 gesunken sein. Für den Zeitraum des Betriebs neuer Tagebaue (nach 2020) werden nirgends konkrete Arbeitsplatzzahlen genannt oder garantiert. Die gern hinzugerechneten „indirekten Arbeitsplätze“ sind keinesfalls gezählt worden, sondern immer das Ergebnis von Rechenmodellen. Die PROGNOS AG ermittelt die Anzahl indirekter Arbeitsplätze im Wesentlichen, indem das Auftragsvolumen durch den Jahresverdienst durchschnittlicher Beschäftigter geteilt wird (6) – eine grobe Schätzmethode. Nun finden wir in der Vattenfall-Mitarbeiterzeitschrift TerraVatt (Ausgabe März 2008, S.12) die scheinbare Erfolgsmeldung „Die Beschaffung will durch Optimierung 47 Millionen Euro einsparen.“ Gemeint sind dabei jährliche Ausgaben. In der Logik von PROGNOS bedeutet das allerdings: mit sinkendem Auftragsvolumen werden indirekte Arbeitsplätze vernichtet. Unter den auf oben beschriebene Weise vereinnahmten tausenden Lausitzern dürften letztlich gar nicht wenige sein, die sich für ihre Heimat andere Perspektiven als den Tagebau wünschen.
(5) PROGNOS AG : Energie- und regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland, Dezember 2005
(6) ebenda, S. 109 f.
Drei Ortsteile der Gemeinde Schenkendöbern will Vattenfall umsiedeln, weitere (Groß Gastrose, Taubendorf, Schenkendöbern, Bärenklau) müssten künftig an der Tagebaukante leben. Sinkt dabei die Einwohnerzahl, ist der Status als eigenständige Gemeinde akut bedroht. Dabei trifft dieses Schicksal eine Gemeinde, die bereits seit Jahren einen Beitrag zu nachhaltiger Energieversorgung leistet. Mit Blick auf die Tragödie des Nachbardorfes Horno wurde 1998 im Ortsteil Groß Gastrose ein 650 Kilowatt-Hackschnitzelheizkraftwerk errichtet, das Strom und Wärme liefert. Der Atterwascher Landwirtschaftsbetrieb installierte eine 19-KW -Solaranlage auf dem Dach der Ställe. Im Ortsteil Sembten wurde bereits ein Windpark mit 12 Megawatt Leistung errichtet, derzeit entsteht zudem eine Biogasanlage. Auch Proschim (geplanter Tagebau Welzow-Süd II ) hat sich längst um Alternativen zur Kohle verdient gemacht. Das Dorf gehörte 1997 mit vier 600-KW -Anlagen zu den Windkraft-Pionieren der Lausitz und führt seitdem jährlich auf dem Dorffest eine Energiemesse durch.