Braunkohle-Folgekosten: Umweltorganisationen schlagen Alarm

Tagebau Jänschwalde ausschnittIn einer am 25. Juli veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme fordern zivilgesellschaftliche und umweltpolitische Organisationen einen Kurswechsel im Umgang mit den Braunkohle-Folgekosten in Ostdeutschland. Anlässlich der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg fordern sie eine transparente und ökologisch nachhaltige Vorsorgepolitik, die sicherstellt, dass die Bergbaukonzerne LEAG und MIBRAG ihrer finanziellen Verantwortung nachkommen. Zuvor hat das Konzeptwerk Neue Ökonomie ein Dossier zu den Tagebau-Folgekosten veröffentlicht, das mehrfach auf Recherchen und Veröffentlichungen der Umweltgruppe Cottbus verweist.

Hier die gemeinsame Stellungnahme von 14 Verbänden und Initiativen, über die beispielsweise Tagesspiegel (paywall) und Süddeutsche Zeitung berichteten:

Anlässlich der Landtagswahlen in den Noch-Braunkohleländern Sachsen und Brandenburg im September verdient ein wichtiges Zukunftsthema für beide Länder erhöhte Aufmerksamkeit: die Pläne und Kosten für die Wiedernutzbarmachung der Braunkohlerevierflächen.

Als zivilgesellschaftliche und umweltpolitische Organisationen in den betroffenen Ländern erscheint uns die bisherige Vorsorgepolitik intransparent, ökologisch riskant und möglicherweise finanziell unzulänglich. Wir fordern daher einen umfassenden Kurswechsel hin zu einer transparenten und ökologisch nachhaltigen Vorsorgepolitik. Diese muss sicherstellen, dass die Bergbaukonzerne sich ihrer finanziellen Verantwortung nicht entziehen können.

Heute Tagebau, morgen Wasserkrise?

Der Umweltschutz, insbesondere der Wasserschutz, gebietet eine sorgfältige Sanierung der ehemaligen Tagebaue, was mit hohen Kosten und erheblichen Risiken verbunden ist, insbesondere für die Trinkwasserversorgung. Die Sanierungsarbeiten werden noch viele Jahrzehnte nach Ende des Kohlegeschäfts andauern. Für die Planung, Umsetzung und Finanzierung der Maßnahmen sind laut Bundesberggesetz die Bergbaukonzerne verantwortlich.

Die Klimakrise wird den bereits bestehenden Wassermangel in den Kohleregionen massiv verschärfen. Angesichts dessen muss die von den Bergbaukonzernen verfolgte Strategie der Folgenutzung durch Tagebauseen für die verbleibenden Tagebaue hinterfragt werden. Neben ökologischen Risiken und einer gefährdeten Trinkwasserversorgung drohen hier auch erhebliche Zusatzkosten gegenüber den bisher eingeplanten Szenarien. Behelfslösungen wie der angedachte Überleiter von der Elbe in die Spree können den Wassermangel nicht beheben, sondern nur verlagern. Wir fordern ausgewogene Wiedernutzbarmachungskonzepte, die Umwelt- und Wasserschutz sicherstellen! Für die Kohleregionen braucht es zudem regionale Wasserstrategien auf der Basis unabhängiger Gutachten. Dafür müssen die Kohleunternehmen ihre diesbezüglichen Datenlagen vollumfänglich zur Verfügung stellen.

Tagebau-Folgekosten: Sicherheits- und Transparenzmängel

Zwar haben die Landesregierungen in der ablaufenden Legislaturperiode durch die Einrichtung von Vorsorgegesellschaften Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. Es fehlt jedoch die Transparenz über die Vereinbarungen und die Auswirkungen derzeitiger Umstrukturierungsbemühungen von LEAG und MIBRAG. An der Darstellung der Regierungen, nach der die aktuellen Vorsorgekonzepte ausreichend seien, haben wir schwere Zweifel. Sollten die verantwortlichen Konzerne zahlungsunfähig werden, müssten die Länder für die Kosten aufkommen. Da über die Kohleausstiegsentschädigungen des Bundes schon ein erheblicher Teil der Folgekosten aus öffentlicher Hand bezahlt wird, ist es umso wichtiger, die effektive Haftung der Konzerne für die verbleibenden Kosten sicherzustellen.

Jüngst gab die LEAG die Abspaltung ihrer zukunftsfähigen Unternehmensbereiche wie der Erneuerbare-Energien-Sparten bekannt. Es ist zu befürchten, dass das Kohlegeschäft damit in einer Art „Bad Bank“ isoliert wird, um zukünftigen Haftungsansprüchen für Tagebau-Folgekosten auszuweichen. Eine ähnliche Entwicklung beobachten wir seit längerem auch bei der MIBRAG, die ebenfalls die Geschäftsfelder ausgliedert, in denen zukünftige Gewinne zu erwarten sind. Das Kohlegeschäft wird hingegen in den nächsten Jahren absehbar immer weniger Einnahmen abwerfen, aus denen aber die vereinbarten Zahlungen in die Vorsorgegesellschaften zu finanzieren wären. Im Falle einer Insolvenz wäre eine Haftung des Mutterkonzerns EPH für die Verbindlichkeiten von LEAG und MIBRAG nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gewährleistet. Die Bilanzrückstellungen der Unternehmen erscheinen damit unsicher. Die Geschäftsmodelle der zusätzlich geschaffenen Vorsorgegesellschaften sind wiederum für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar.

Kosten für die Allgemeinheit, Gewinne für die Konzerne – oder demokratische Kontrolle?

Die neuen Regierungen müssen ein Szenario abwenden, in dem die mit den Kohle-Altlasten verbundenen ökologischen Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, während die Energiekonzerne gleichzeitig die mit der Energiewende verbundenen Gewinne privatisieren können. Stattdessen ist zu gewährleisten, dass gerade die Erträge aus diesen neuen Geschäftsfeldern zunächst die Finanzierung der Altlastenbewältigung absichern. Dazu sind auch Möglichkeiten der Überführung in öffentliches Eigentum mit starken demokratischen Kontrollfunktionen zu prüfen. Dies würde auch eine nachhaltige Rekultivierungsplanung erleichtern, die insbesondere mit Blick auf die Wasserkrise den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden kann.

So könnten zudem die Spielräume für einen lebendigen demokratischen Strukturwandel in den Regionen erweitert werden. Aus dem geretteten Ort Pödelwitz soll nach Wunsch der dort verbliebenen Menschen ein Modelldorf der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit werden. Um dies zu ermöglich und den Ort wiederzubeleben, fordern der lokale Verein „Pödelwitz hat Zukunft e.V.“ und andere Initiativen, die leerstehenden Immobilien der MIBRAG in öffentliches Eigentum zu überführen. Nur so könne die Dorfentwicklung unabhängig von undurchsichtigen Strategien des Unternehmens vorangebracht werden, das bisher keine eigenen Ideen vorlegt, sondern nur versucht, die Visionen des Vereins zu verhindern. Solche Initiativen aus den Kohleregionen verdienen Unterstützung aus der Zivilgesellschaft und Politik.

Für Transparenz und eine sichere Finanzierung der Braunkohle-Folgekosten

Die kommenden Landesregierungen müssen endlich Transparenz schaffen über die Vorsorgevereinbarungen mit LEAG und MIBRAG inkl. der Ansparkonzepte, Anlagerichtlinien und Verpfändungsvereinbarungen für die Vorsorgegesellschaften. Auch die Details der zugrundeliegenden Kostenberechnungen für die langfristig anfallenden Rekultivierungsmaßnahmen, die es für eine sozial und ökologisch lebenswerte Region braucht, müssen öffentlich nachvollziehbar werden. Intransparenz schadet dem Vertrauen in politische Prozesse und nährt die Zweifel an den bisherigen Maßnahmen.

Wir fordern die Parteien in Sachsen und Brandenburg dazu auf, klar Stellung zu den Fragen der ökologischen Braunkohlesanierung, der Wasserstrategien und der Braunkohle-Folgekosten zu beziehen.

Gemeinsame Stellungnahme von:

• Konzeptwerk Neue Ökonomie

• GRÜNE LIGA

• Greenpeace Deutschland

• Greenpeace Ortsgruppen Leipzig-Halle, Chemnitz, Cottbus & Oberlausitz

• BUNDjugend

• BUNDjugend Brandenburg

• BUND Sachsen

• BUND Brandenburg

• Pödelwitz hat Zukunft

• Communia

• Bürgerinitiative „Zukunft statt Braunkohle Lützen“

• Jugendforum Nachhaltigkeit Brandenburg

• Naturfreundejugend Brandenburg

• Naturfreunde Brandenburg

 

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