Rundbrief vom 24.02.2016

Hier wieder Neues zur Lausitzer Kohle:

1. Hendricks schreibt an Gerber: Kohleausstieg vor 2050
2. Die Kaufinteressenten rechnen noch
3. Region diskutiert über Zukunft nach dem Kraftwerk Jänschwalde
4. Versprochene Entschädigung für Betroffene des Tagebaues Welzow-Süd I bleibt aus
5. Grüne Liga streitet mit Widerspruch für besseren Schutz des Pastlingsees vor dem Austrocknen
6. Verwaltungsgericht verhandelt über Verheimlichung von Umweltdaten beim Vattenfall-Braunkohletagebau
7. Grüne Kurzstudie wertet rheinische Erfahrungen für Strukturwandel in der Lausitzer Braunkohleregion aus

1. Hendricks schreibt an Gerber: Kohleausstieg vor 2050

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat auf einen Brief des brandenburgischen Wirtschaftsministers Gerber geantwortet und Medienberichten zufolge deutlich gemacht, für "eine Verstromung der Braunkohle im Jahr 2050 und darüber hinaus gibt es keinen Raum" und "einen früheren Ausstieg halte ich durchaus für möglich".

Brandenburgs Kohleverteidigungsminister Gerber versucht sich derweil weiter in Volksverdummung, indem er bei jeder Gelegenheit den Zeitpunkt des Braunkohleausstieges mit dem einer Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien vermischt. Fakt ist: Außer in Gerbers Propaganda gibt es kein einziges ernstzunehmendes Energieszenario, bei dem die Braunkohle der letzte fossile Energieträger ist, selbst wenn man nur auf den Stromsektor schaut. Gerber weiß das vermutlich sogar (wir wünschen es ihm zumindest), braucht seine Behauptung aber für die Angstmache vor fehlender Versorgungssicherheit.

Das neueste Gleichnis des Kohle-Predigers aus Potsdam heißt, „dass wir das Schiff nicht versenken dürfen, bevor wir das Ufer erreicht haben“. Wer eine Minute länger über dieses Bild nachdenkt, fragt sich unweigerlich, ob Gerber sein Schiff denn überhaupt in Richtung Ufer steuert. Das Abschalten der älteren Braunkohlenblöcke ist beispielsweise überhaupt nicht davon abhängig, wann der neueste und letzte Block vom Netz geht. Mit seinem Handeln zeigt Gerber deutlich, dass er am liebsten ewig parallel zum Ufer segeln will. Ob Schiff und Besatzung das aushalten, ist fraglich.

2. Die Kaufinteressenten rechnen noch

Zum geplanten Verkauf der Vattenfall-Kohlsparte zitiert Energate-messenger den Chef des tschechischen Energiekonzerns CEZ nach dessen Prager Pressegespräch mit den Worten "Ich glaube nicht, dass die Lausitzer Tagebaue 2050 noch in Betrieb sind, ich rechne da mit 2035 bis 2040". CEZ verweist zudem auf die Kosten der Renaturierung der Tagebaue und die Altersversorgung der Mitarbeiter. CEZ-Vorstand Pavel Cyrani habe gesagt, „dass für diese Aufwendungen keine Rückstellungen vorhanden sind. Sie müssten aus dem laufenden Betrieb finanziert werden.“ (Quelle: http://www.energate-messenger.de/news/162206) Das alles geht zu Lasten des Kaufpreises. Weshalb laut Sächsischer Zeitung vom 4. Februar Vattenfall-Chef Magnus Hall schon darauf verwies, dass sich ein Verkaufsprozess immer auch stoppen lasse.

3. Region diskutiert über Zukunft nach dem Kraftwerk Jänschwalde

Auf Einladung des Kirchenkreises Cottbus werden regionale Akteure im März diskutieren, welche Zukunftsaussichten sie für den Standort des jetzigen Kraftwerkes Jänschwalde nach dessen Außerbetriebnahme sehen. Man brauche „Gedankenspiele für die Möglichkeiten, die unsere Region bei einem schrittweisen Zurückfahren des Betriebs des Kraftwerkes Jänschwalde weiterhin hat oder neu erschließen kann.“ heißt es in der Einladung, die das „Peitzer Land Echo“ (die monatliche Zeitung der Peitzer Amtsverwaltung) veröffentlicht hat.

4. Versprochene Entschädigung für Betroffene des Tagebaues Welzow-Süd I bleibt aus

Vorerst werde es keine der seit dem Jahr 2011 von Vattenfall versprochenen Entschädigungszahlungen für die Betroffenen am Rande des laufenden Tagebaues Welzow-Süd I durch den Betreiber geben, stellte Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) am 17. Februar in der Welzower Stadtversammlung klar. Durch den angekündigten Verkauf der Braunkohlesparte habe Vattenfall sämtliche Gespräche eingestellt, erklärte Zuchold auf der Sitzung. Die Stadtfraktion von CDU/Grüne Zukunft Welzow hatte eine entsprechende Stellungnahme der Stadtverwaltung per Antrag in der Sitzung am Mittwoch eingefordert. Vattenfall hatte 2011 versprochen, etwa 10.000 Euro an alle Welzower Hauseigentümer zu zahlen. Nach Verabschiedung des Braunkohlenplans für den neuen Tagebau Welzow Süd II durch die Landesregierung sollten ursprünglich die Verhandlungen für die Auszahlungen beginnen; der Plan war im Jahr 2014 von der Landesregierung beschlossen worden.

Im Jahr 2011 hatte Vattenfall in der Diskussion über das sogenannte „Akzeptanzpaket“ für den neuen Tagebau Welzow Süd II mit der SPD-Politikerin vereinbart, dass die vom bereits aktiven Tagebau betroffenen Bürger eine Entschädigung bekommen werden, wenn der Konzern den neuen Tagebau in der Region aufschließen kann. Das war bereits damals als öffentliche Erpressung der Stadtpolitik heftig kritisiert worden. „Jetzt rächt sich dieser Kotau der Bürgermeisterin vor dem Konzern“, kritisierte Hannelore Wodtke (Grüne Zukunft Welzow).

Die Stadtfraktion will nun den Landtag einschalten, kündigte Wodtke an. Auf einer Diskussionsveranstaltung in Groß Gastrose (SPN) Anfang Januar 2012 hatte der damalige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers zugesichert, sich dafür einzusetzen, dass mindestens die Regelungen des Schleife-Vertrages für Tagebaurandbetroffene zur Anwendung kommen. „Seitdem haben wir von der Landesregierung nichts mehr gehört. Wir wollen wissen, ob die Zusage immer noch gilt“, sagte Wodtke. (Pressemitteilung Allianz für Welzow, 18.02.2016, verändert)

5. Grüne Liga streitet mit Widerspruch für besseren Schutz des Pastlingsees vor dem Austrocknen

Der Naturschutzverband Grüne Liga Brandenburg versucht mit einem Widerspruchsverfahren, einen besseren Schutz des austrocknenden Pastlingsees bei Guben durchzusetzen. Der See befindet sich im Grundwasserabsenkungstrichter des Vattenfall-Tagebaues Jänschwalde und wird nach seinem Trockenfallen im vergangenen Sommer künstlich mit Wasser befüllt.

Die Hintergründe des Widerspruches fasst Heinz-Herwig Mascher, Landesvorsitzender der Grünen Liga zusammen: „Das Landesbergamt drückt sich davor, der Mitverantwortung des Tagebaues Jänschwalde für die Austrocknung des Sees auf den Grund zu gehen. Stattdessen wurde das Problem dem Landkreis Spree-Neiße zugeschoben. Zudem wird Wasser mit vierfach zu hohem Phosphatgehalt in den See gelassen. Die schnellstmögliche Nachrüstung einer Phosphatreinigung wurde von Fachleuten gefordert, vom Landkreis aber nicht angeordnet.“

Eine Phospatreinigung bedeutet zusätzliche Kosten, die man dem Verursacher nur in Rechnung stellen kann, wenn man ihn überhaupt ermittelt. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass Vattenfall in deren Verkaufsverhandlungen der Rücken frei gehalten werden soll und dafür eine weitere Schädigung des Naturschutzgebietes wissentlich in Kauf genommen wird.“ vermutet Heinz-Herwig Mascher.

Zudem wurde im Januar bekannt, dass die Wassereinleitung ab Dezember wegen Frostgefahr für mehrere Wochen unterbrochen wurde. Die Verlegung einer frostempfindlichen oberirdischen Leitung hat sich damit als Planungsfehler erwiesen.

Der Hintergrund: Das Naturschutzgebiet Pastlingsee umfasst ein Moor von landesweiter Bedeutung und den angrenzenden See. Hier sinkt der Wasserstand seit Jahren kontinuierlich, während sich gleichzeitig der Braunkohletagebau Jänschwalde dem Gebiet nähert. Im Frühjahr 2015 kam es zu Fischsterben im See und öffentlichen Protesten der Anwohner und Angler. Im Herbst 2015 wurde eine künstliche Wassereinleitung in Betrieb genommen. Presseberichten zufolge beteiligt sich Vattenfall an den Kosten, leugnet aber jede Mitverantwortung für die Austrocknung. Angesichts der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ist es allerdings wenig glaubwürdig, dass hier aus reiner Verbundenheit mit der Region gehandelt wird, zumal das Unternehmen gleichzeitig zahlreiche Investitionen auf Eis gelegt und selbst Sponsoringverträge (wie etwa zum Filmfestival Cottbus) gekündigt hat.

Die Behörden hätten bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen zuerst prüfen müssen, aus welchen Gründen der Wasserstand abgesunken ist, um diese Verursachung möglichst schnell abzustellen. Insbesondere wäre dabei auch die Grundwasserentnahme durch den Bergbau zu prüfen gewesen. Dann wäre statt des Landkreises auch das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) zuständig.

Die Gesamtphosphorkonzentration im Zuschusswasser liegt den Behördenakten zufolge vierfach über dem Wert im Seewasser. Dadurch droht beispielsweise eine extreme Entwicklung von Algen im See und eine weitere Schädigung der Pflanzenwelt am Seegrund, die nach der FFH-Richtlinie geschützt ist (Lebensraumtyp 3150). Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Einleitung als Maßnahme gegen das akute Austrocknen des Sees dennoch genehmigt wurde. Die Einsichtnahme in die Verfahrensakten zeigte jedoch, dass die zuständige Fachbehörde (damals LUGV, jetzt LfU) die schnellstmögliche Nachrüstung einer Phosphateliminierung anmahnte. Ohne erkennbaren Grund enthält die Genehmigung des Landkreises keine solche Auflage. (Pressemitteilung, 24.02.2016)

6. Verwaltungsgericht verhandelt über Verheimlichung von Umweltdaten beim Vattenfall-Braunkohletagebau

Das Verwaltungsgericht Dresden hat für den 21. April einen Verhandlungstermin um die Herausgabe von Daten über ein vom Braunkohletagebau zerstörtes Naturschutzgebiet angesetzt.

„Wir wollen gerichtlich klären lassen, ob von Konzernen erhobene Umweltdaten mit dem Verweis auf das Urheberrecht geheimgehalten werden dürfen. Aus unserer Sicht würde das die Beteiligung von Bürgern und Verbänden aushebeln. In dieser Frage wird unsere Kritik an Vattenfalls Tagebau zu einem bundesweiten Präzendenzfall.“ sagt Dr. Martin Kühne, Erster Sprecher der Umweltgruppe Cottbus.

Der Tagebau Nochten hat in den vergangenen Jahren das Naturschutzgebiet „Urwald Weißwasser“ zerstört. Im Jahr 2012 hatte der Landkreis Görlitz eine Anfrage der Umweltgruppe Cottbus nach Kartierungsergebnissen zu Tier- und Pflanzenvorkommen in diesem Gebiet abgelehnt. Als Begründung wurde angegeben, eine Herausgabe würde gegen Urheberrecht verstoßen und der Vattenfall-Konzern habe der Herausgabe nicht zugestimmt. Die Grüne Liga-Umweltgruppe Cottbus hat diese Begründung nicht akzeptiert und das Verwaltungsgericht angerufen. Hintergrund ist, dass in dem Gebiet Vorkommen von Arten vermutet wurden, die unter besonderem europäischen Schutz stehen. Nach fast vier Jahren hat die sächsische Justiz nun einen Verhandlungstermin angesetzt.

In der friedlichen Revolution 1989 in der DDR, in die auch die Gründung des Umweltverbandes Grüne Liga fällt, war die Offenlegung von Umweltdaten eine zentrale Forderung der damaligen Oppositionsbewegung. „Es ist absurd, 26 Jahre später erneut um dieses grundlegende Gut der Demokratie kämpfen zu müssen.“ sagt Umweltgruppen-Gründungsmitglied Dr. Martin Kühne.

7. Grüne Kurzstudie wertet rheinische Erfahrungen für Strukturwandel in der Lausitzer Braunkohleregion aus

Im Auftrag der brandenburgischen Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen erarbeitete das Wuppertal Institut die Kurzstudie „Strategische Ansätze für die Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz Was lässt sich aus den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen und dem Rheinischen Revier lernen?“. Sie wurde am 17. Februar in Potsdam vorgestellt und ist hier abrufbar:
http://gruene-brandenburg.de/startseite/single-news/article/vorstellung_der_kurzstudie_lausitz_im_wandel_wie_weiter_nach_der_kohle/

 

Hier der Rundbrief als pdf (4 Seiten)

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Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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