Rundbrief vom 16. September 2013

1. Mit 112.157 Einwendungen gegen geplanten Vattenfall-Tagebau Welzow Süd IIkohlerundbrief 2013 09 16 bild
2. Wir sagen Danke!
3. Pro-Braunkohle-Initiative hat demokratische Regeln verletzt
4. Tendenziöse Berichterstattung in der Lausitzer Rundschau (mal wieder...)
5. Betroffene demonstrieren in Dresden gegen Braunkohletagebau und sächsische Energiepolitik
6. Greenpeace-Aktivisten besetzen Kohle-Gleis
7. Vattenfalls Umsiedlung des Eremitenkäfers gescheitert - Zusätzliche Kompensation für Lacomaer Teiche nötig
8. Nachtrag zum letzten Rundbrief

1. Mit 112.157 Einwendungen gegen geplanten Vattenfall-Tagebau Welzow Süd II

Cottbus, 16.09.2013: Gegen den vom Vattenfall-Konzern geplanten Braunkohlentagebau Welzow Süd II nahe Cottbus wurden heute 112.157 Einwendungen aus der Lausitz und ganz Deutschland an die zuständige Planungsbehörde übergeben. Damit hat sich die Zahl der Einwendungen im Vergleich zur Öffentlichkeitsbeteiligung beim ersten Planentwurf erheblich gesteigert. Ein breites Bündnis aus Betroffenen, Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen und Verbänden hatten dazu aufgerufen, im Planverfahren gegen das Vorhaben des schwedischen Staatskonzernes Widerspruch einzulegen. Die beteiligten Verbände kritisieren zugleich Manipulationen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung. Ein Teil der Auslegungsbehörden hatte aktiv für das Tagebauprojekt geworben und so das Neutralitätsgebot verletzt.kohlerundbrief 2013 09 16 bild
„Wir Betroffenen haben mit der hohen Zahl an Einwendungen einen starken Rückhalt für unseren Widerstand gegen den Tagebau erhalten“ freut sich Johannes Kapelle aus dem bedrohten Dorf Proschim, der als Hauptdarsteller des Films „Opa ohne Lobby“ bekannt geworden ist, mit dem im Internet um Einwendungen geworben wird.
Nach Ansicht von Thomas Burchardt, Sprecher der Lausitzer Klinger Runde, einem Zusammen-schluss von Bürgern und Kommunalvertretern aus 43 betroffenen Lausitz-Dörfern, ist die überregionale Beteiligung ein Zeichen dafür, dass die Energiewende als gesamtgesellschaftliche Verantwortung gesehen wird. „Ein neuer Tagebau im Hochindustrieland Deutschland ist grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß. Die Braunkohleverstromung missachtet die Grundrechte der Betroffenen und ist eine Verschuldung an die kommenden Generationen", so Burchardt.
Allerdings haben sich Befürworter des Tagebaues in den vergangenen Wochen nicht an demokratische Spielregeln gehalten. „Wir sind schockiert darüber, dass sich mehrere brandenburgische Behörden bei der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht neutral verhalten haben und sich an einer Werbekampagne zur Durchsetzung des Tagebaues beteiligten. Das ist ein eindeutiger Rechtsverstoß. Wir fordern die Landesregierung auf, einen Planentwurf für den Verzicht auf das Teilfeld II vorzulegen“, so René Schuster von der Grünen Liga, Umweltgruppe Cottbus.
"Dies ist die bisher erfolgreichste Unterschriftensammlung gegen einen neuen Tagebau, die es jemals in Deutschland gab“, freut sich Daniela Setton, Referentin Energiepolitik der klima-allianz deutschland. Es finde heute keine Akzeptanz mehr, dass für den Klimakiller Braunkohle ganze Dörfer geopfert werden sollen. „Protest kommt auch von überall dort her, wo der aus dem Verheizen von Proschim stammende Braunkohlestrom verkauft werden soll. Die Einwender wollen nicht, dass für ihre Energieversorgung Menschen gegen ihren Willen umgesiedelt werden“, so Setton. (Foto: ideengrün, Markus Pichlmaier)

2. Wir sagen danke!

Seit Juli gingen bei der Umweltgruppe Cottbus regelmäßig Briefe aus der Lausitz und ganz Deutschland mit Unterschriftenlisten und einzelnen Einwendungen ein. Regelmäßig diese Briefe zu öffnen und und dabei mal bekannten und mal völlig unbekannten Namen und Adresse zu begegnen, war ein einmaliges Erlebnis, bei dem sich ein echtes Gefühl der Dankbarkeit für die breite Unterstützung einstellte. Dabei war die heutige Zahl lange überhaupt nicht in Sicht. Erst in der letzten Woche explodierte die Zahl der täglich eingehenden Einwendungen regelrecht. Am Freitag musste die Postbotin klingeln, weil die Briefe nicht mehr in den Kasten passten. Also noch einmal herzlichen Dank allen, die Einwendungslisten auf so verschiedene Weise verteilt, gefüllt und zurückgesandt haben! Und keine Angst, falls der eigene Brief erst am 17. September bei uns eintrifft: Die Nachzügler, die am Dienstag bis 14:00 Uhr im Briefkasten in der Straße der Jugend 94 sind, werden noch persönlich bei der Behörde abgegeben und erhöhen die heute bekannt gegebene Zahl weiter. René Schuster, UGC

3. Pro-Braunkohle-Initiative hat demokratische Regeln verletzt

Seit Wochen hatte der Pro Lausitzer Braunkohle-Verein in Bürgerbüros von Lausitzer Behörden mit "Sammelboxen" und Bannern zu Unterschriften für den Tagebau Welzow II aufgefordert. Die entsprechenden Behörden - darunter solche in denen der Braunkohlenplan-Entwurf zur Öffentlichkeitsbeteiligung auslag - haben damit eindeutig das Neutralitätsgebot verletzt.
Die Kreistagsabgeordneten Rainer Vogel und Winfried Böhmer schalteten daraufhin die Kommunalaufsicht ein, die ihnen Recht geben und die Beseitigung der Boxen anordnen musste. Die "Lausitzer Rundschau" hat über diese Diskussion am 9. und 12. September - versteckt auf der Lokalseite Senftenberg – berichtet:
http://www.lr-online.de/regionen/senftenberg/Streit-um-Kohle-Listen-in-den-Buergerbueros;art1054,4324380
http://www.lr-online.de/regionen/senftenberg/Pro-Kohle-Boxen-aus-Buergerbueros-verbannt;art1054,4326699
Damit ist jetzt amtlich, dass die Pro-Braunkohle-Initiative demokratische Spielregeln nicht eingehalten hat. Sie setzt stattdessen auf den Missbrauch von politischer und wirtschaftlicher Macht. Die rechtswidrige Nutzung öffentlicher Einrichtungen für Tagebau-Propaganda über mehrere Wochen macht man allerdings nicht dadurch ungeschehen, dass man sie wenige Tage vor Ende der Stellungnahmefrist beendet. Hier werden für das Planverfahren weitergehende Konsequenzen nötig sein.

4. Tendenziöse Berichterstattung in der Lausitzer Rundschau (mal wieder...)

In der Endphase der Beteiligung zu Welzow II zog die "Lausitzer Rundschau" zugunsten der Kohlelobby alle Register des tendenziösen Journalismus. Das wird am Artikel "Greenpeace verbannt Verein "Pro Lausitzer Braunkohle" aus Ämtern" vom 13. September mehr als deutlich.
(http://www.lr-online.de/nachrichten/Tagesthemen-Greenpeace-verbannt-Verein-Pro-Lausitzer-Braunkohle-aus-Aemtern;art1065,4327682)
Während Kritik aus der Region auf der Lokalseite abgehandelt wurde (s.o.), berichtete der Mantelteil lediglich über die Intervention von Greenpeace. Ein Geschenk an die Kohlelobby, die jede Kritik als von außen gesteuert darstellt (wie es übrigens schon die DDR tat). Soweit ist der Effekt zwar vermutlich beabsichtigt, aber tolerabel. Doch die "unabhängige Tageszeitung" ging zwei Schritte weiter:
Sie druckte am Ende des Artikels den Link zur Pro-Braunkohle-Unterschriftensammlung ab, nicht aber den zur Unterschrift gegen die Zwangsumsiedlung von Proschim. Wollte die Zeitung ihren Gebietern in der Kohlelobby so einen Ersatz für die wegfallenden Bürgerbüros verschaffen?
Die "Rundschau" war sich auch nicht zu fein, die plumpe Hetze des Pro-Braunkohle-Vereinsvorsitzenden Wolfgang Rupieper zu drucken, dass es dem Verein ausschließlich um die Beteiligung der Bürger in der Lausitz gehe und "Dies ist ja bekanntlich auch ein Grundprinzip der Demokratie in unserem Land und es verwundert dann schon und erstaunt uns, wenn Greenpeace mit Anwälten dagegen vorgeht und den Behörden mit Klagen droht". Rupieper, ehemaliger Provinz-Amtsgerichtsdirektor wird damit dem Wort "Rechtsverdreher" mehr als gerecht.
Wie es sich wirklich verhält, hatte der ehemalige Bundesrichter und heutige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic in einer Pressemitteilung dargestellt, die von der "Lausitzer Rundschau" selbstverständlich ignoriert wurde:
"Das Rechtsstaatsprinzip unseres Grundgesetzes gebietet eine staatliche Neutralitätspflicht in der politischen Auseinandersetzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat hinter dieser Neutralitätspflicht sogar die grundgesetzlich geschützte gewerkschaftliche Tätigkeit zurückzustehen. Hier geht es hingegen nicht einmal um eine gewerkschaftliche Betätigung, sondern lediglich um eine Unterschriftensammlung für einen privatrechtlichen Verein. Es ist mir unverständlich, dass dem OSL-Landrat diese eindeutige Rechtslage unbekannt war."

5. Betroffene demonstrierten in Dresden gegen Braunkohletagebau und sächsische Energiepolitik

Dresden 14.09.2013. Unter dem Motto "Ein Loch größer als die Dresdner Altstadt - Wie Sachsen die Energiewende und Klimaschutzziele untergräbt" protestierten am Sonnabend mehr als 300 Menschen in Dresden gegen den Aufschluss des Braunkohlentagebaues Nochten II in der Lausitz und für die Umsetzung der Energiewende. Mit einem Abrissfahrzeug und kohlerundbrief 2013 09 16 semperoperSpitzhacken vor der weltweit bekannten Semperoper verdeutlichten sie die Zerstörung von Siedlungen und Kultur durch den Braunkohlenbergbau in der Lausitz. Aufgerufen hatte das Lausitzer Aktionsbündnis „Strukturwandel jetzt – Kein Nochten II“. Auch Betroffene aus dem im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier bedrohten Dorf Pödelwitz nahmen an der Demonstration teil. „Niemand würde den Abriss der Semperoper tolerieren - in der Lausitz will die sächsische Staatsregierung dagegen mehrere Dörfer zerstören lassen.“ so Friederike Böttcher, Sprecherin des Bündnisses. „Die Regierung senkt ihre ohnehin nicht ehrgeizigen Ausbauziele für erneuerbare Energien und plant gleichzeitig einen neuen Tagebaus, der für weitere 300 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich sein wird. Neben den katastrophalen Umweltfolgen bedeutet das die Umsiedlung von mehr als 1600 Menschen. Dass so etwas in Deutschland immer noch möglich und gewollt ist, überrascht viele Menschen außerhalb der Lausitz.“ Norbert Rost, Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Regionalentwickler aus Dresden, stellte in seiner Rede die Frage nach den fehlenden Zukunftsperspektiven für die Lausitz: „Die Diskussion um die Braunkohle darf sich nicht allein um die Jobs von heute drehen. Sie muss eine Zukunftsvision für die Region entwickeln.“ so Rost und schlägt vor, mit Gewinnen aus der Kohleverstromung langfristig aus der Kohle auszusteigen: „Die eingenommenen Steuern sollten wieder in die Lausitz zurückfließen, um dort einen Strukturwandel zu finanzieren, bei dem Arbeitsplätze in neuen, anderen, zukunftsfähigen Branchen entstehen! So könnte die Kohle den notwendigen Wandel finanzieren, statt ihn zu blockieren.“ Der Tagebau Nochten II soll laut sächsischer Regierung und Vattenfall-Konzern selbst nach 2040 noch Braunkohle in das Kraftwerk Boxberg liefern. Der Beschluss des Braunkohlenplanes Nochten II durch den regionalen Planungsverband wurde auf den 1. Oktober verschoben, danach muss das sächsische Innenministerium diesen noch genehmigen. Mit der Bundestagswahl am 22. September wird auch über die Zukunft der Energiewende entschieden. Insgesamt plant Vattenfall in der Lausitz fünf neue Tagebaue mit insgesamt 3200 Umsiedlungen. (Foto: Mike Kess)

6. Greenpeace-Aktivisten besetzen Kohle-Gleis

Seit dem zeitigen Montag morgen besetzen neun Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace die Vattenfall-Kohlebahn zwischen dem Tagebau Welzow-Süd und dem Kraftwerk Schwarze Pumpe. Bis zum Abend konnten sie nicht von den Gleisen getrennt werden. Die Presse wird über die weitere Entwicklung sicher berichten, die wir derzeit nicht konkret absehen können.
(Der heutige Rundbrief lehnt sich gegen die Mechanismen der Massenmedien auf und erwähnt deshalb neun Angekettete ganz bewusst erst nach 112.000 Unterzeichnern und 300 Demonstranten.)

7. Vattenfalls Umsiedlung des Eremitenkäfers gescheitert - Zusätzliche Kompensation für Lacomaer Teiche nötig

Der Ausgleich für das vom Braunkohlenbergbau zerstörte Lacomaer Teichgebiet ist in einem zentralen Punkt bisher gescheitert. In einem Schreiben an die Bergbehörde stellen vier brandenburger Naturschutzverbände den Misserfolg der Umsiedlung des europaweit geschützten Eremitenkäfers fest. BUND, GRÜNE LIGA, NABU und Naturfreunde erwarten von der Behörde die Festlegung zusätzlicher Kompensationsmaßnahmen und prüfen die Einreichung einer EU-Beschwerde.
„Der Verursacher muss ein funktionierendes Netz von Lebensräumen für die beeinträchtigten Tierarten sicherstellen. Das ist nach den von uns eingesehenen Berichten gerade für die am strengsten geschützte Art bisher misslungen. Die Gutachter konnten am Ersatzstandort nach wenigen Jahren keine Lebenszeichen des Eremitenkäfers mehr feststellen. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat in einem aktuellen Beschluss betont, dass die Landesbehörden Vattenfall zu weiteren Maßnahmen verpflichten können. Genau das muss jetzt geschehen. Wir informieren die EU-Kommission über unser Schreiben und prüfen weitere Schritte, falls die Behörden nicht aktiv werden." sagt René Schuster von der GRÜNEN LIGA Cottbus.
Die Zerstörung der Lacomaer Teiche bei Cottbus für den Braunkohlenbergbau war trotz jahrelanger Proteste vom Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) im Dezember 2006 in einem Planfeststellungsbeschluss genehmigt und vom Vattenfall-Konzern in den folgenden Jahren umgesetzt worden. Das Gebiet beherbergte den baumbewohnenden Eremitenkäfer, der als "prioritäre Art" der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie den höchsten europäischen Schutzstatus geniesst. Das Vorkommen stellte sich während der Abholzung als größer heraus als zuvor angenommen.
Eine Akteneinsicht in Monitoring-Berichte hat nun ergeben, dass wenige Jahre nach dem Umsetzen aller vom Eremiten besiedelten Baumstämme im Ansiedlungsgebiet "keine aktuellen Lebenszeichen des Käfers" mehr vorgefunden wurden. Die erfolgreiche Kompensation ist eine rechtliche Voraussetzung für die Beeinträchtigung eines FFH-Schutzgebietes, wie es in Lacoma bestand.
Das Schreiben an das LBGR und das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz steht im Intenet hier:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/130912_kompensation_eremit.pdf

8. Nachtrag zum letzten Rundbrief

Wir hatten im letzten Rundbrief eine Pressemitteilung der Bürgerinitiativen gegen CCS wiedergegeben, in der mehreren Landtagsabgeordneten namentlich für ihr Abstimmungsverhalten gedankt wurde. Dazu ist zu ergänzen, dass auch der fraktionslose Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann für den Gesetzentwurf der bündnisgrünen Fraktion zum CCS-Verbotsgesetz gestimmt hat.

Termine

Ausstellung "Unverkäuflich"
26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

 

Lausitzer Menschen für einen früheren Kohleausstieg

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Bitte unterstützt die Lacoma-Filmdokumentation

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