Rundbrief vom 30. September 2013

1. Bundestagswahl in der Lausitz: Schulze, Freese, Wöllert, Kretschmer, Jurkkohlerundbrief 2013 09 30 bild
2. Tagebau Nochten II: Mahnwache vor Verbandsversammlung in Bautzen am 1.Oktober
3. Vertrag zwischen Vattenfall und Land Brandenburg unterzeichnet
4. "Flaechenfall" - 8 Minuten aus dem Lausitzer Revier
5. Vogelgezwitscher lauter als Tagebaulärm? Bergbaubehörde lehnt Messungen von Lärmbelastung in Welzow ab
6. Sorbischer Dachverband gegen neue Tagebaue
7. Norwegen stoppt CCS-Projekt
8. Volksentscheid in Hamburg erfolgreich
9. Leserbrief an den Wochenkurier

 1. Bundestagswahl in der Lausitz: Schulze, Freese, Wöllert, Kretschmer, Jurk

Die Ergebnisse der Bundestagswahl im Lausitzer Kohlerevier lagen so klar im Bundestrend, das man Zweifel haben kann, ob regionale Themen und aufgestellte Direktkandidaten überhaupt Einfluss hatten. Mit dem Merkel-Effekt im Rücken gewann schließlich Klaus-Dieter Schulze (CDU) das Direktmandat im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße. Da eine Partei die Wahl gewonnen hat, die seit Jahren verhindert, dass Abgeordnetenbestechung auch in Deutschland unter Strafe gestellt wird, müssen wir uns wohl auf eine weitere Epoche des schamlosen Lobbyismus einstellen. Insbesondere, da Ulrich Freese (SPD) über die Landesliste seiner Partei ebenfalls in den Bundestag eingezogen ist. Er hat den Kampf um das Direktmandat zwar trotz immenser Materialschlacht klar verloren, doch die SPD verlor auch die anderen Direktmandate in Brandenburg, so dass die Landesliste erstmals Bedeutung erlangte. Freese hatte berechtigte Fragen der Wähler missachtet, indem er erst nach der Wahl entscheiden wolle, welche Aufsichtsratsposten er vielleicht abgebe. Wir sind auf seine Entscheidung gespannt. Ebenfalls über die Landesliste zieht Birgit Wöllert (LINKE) in den Bundestag ein, die sich im Wahlkampf gegen neue Tagebaue ausgesprochen hatte. Ob sie für diese Position aber auch den Konflikt zur Politik der rot-roten Brandenburger Koalition riskiert, wird sich erst zeigen.
Das Einbrechen der bündnisgrünen Wahlergebnisses kostete den vorher als sicher geltenden Einzug von Wolfgang Renner, dessen Platz 2 der Landesliste nun nicht mehr ausreichte. Der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic war mit 8,11 Prozent der Erststimmen zwar der erfolgreichste unabhängige Kandidat bundesweit, blieb aber weit vom Direktmandat entfernt und sitzt damit nicht mehr im nächsten Bundestag.
Im sächsischen Teil des Kohlereviers (Wahlkreis 157) gewann Michael Kretschmer (CDU) das Direktmandat, Thomas Jurk (SPD) zog über die Landesliste ein.
Unser Fazit als Braunkohlebetroffene: Nichts kann den außerparlamentarischen Druck ersetzen. Der Atomausstieg hat gezeigt, dass dessen Wirkung nicht immer von Parteifarben abhängig ist.

2. Tagebau Nochten II: Mahnwache vor Verbandsversammlung in Bautzen am 1.Oktober

Am morgigen Dienstag ab 11:00 Uhr werden Vertreter des Bündnisses "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" eine Mahnwache vor dem Landratsamt in Bautzen durchführen. Anschließend berät dort ab 12:00 Uhr der Braunkohlenausschuss und ab 13:15 Uhr die Verbandsversammlung des regionalen Planungsverbandes über den Tagebau Nochten II. Auf der Tagesordnung steht der Beschluss der Satzung.
„Der Planentwurf für den neuen Tagebau ist nicht beschlussfähig.“ sagt Friederike Böttcher, Sprecherin des Bündnisses. „Noch immer hat der Planungsverband keine Antworten auf zahlreiche im Verfahren vorgebrachte Probleme.“
So verweist Böttcher auf die nicht ausreichende Konkretisierung der geplanten Dichtwand im Plan und ihre Beeinflussung der Wasserstände. „Es ist noch immer nicht geklärt, welche Auswirkungen der Tagebau Nochten II konkret auf Grund- und Oberflächenwasserstände der Gemeinden Schleife und Neustadt haben wird. Die Prognosen sind unzuverlässig. Das heißt, das Risikos eines Schadens für die Allgemeinheit ist nicht absehbar.“
Für die Sitzung werden weiterhin die aktuelle Stellungnahme des sorbischen Dachverbandes Domowina und die Stellungnahme des Schleifer Bürgermeisters Reinhard Bork zur bisherigen Vertragserfüllung zum aktuell gültigen Braunkohlenplan Nochten I erwartet.
Bei einem Satzungsbeschluss müsste der Braunkohlenplan noch vom sächsischen Innenministerium genehmigt werden und würde dadurch in Kraft treten.

3. Vertrag zwischen Vattenfall und Land Brandenburg unterzeichnet

Am 24. September unterzeichneten Vertreter der Brandenburgischen Landesregierung und des Vattenfall-Konzerns eine Vereinbarung. Diese soll eine Formulierung im Koalitionsvertrag von 2009 umsetzen, und die Klimaschutzziele des Landes vertraglich festschreiben. Tatsächlich verpflichtet sich Vattenfall lediglich eine Reduktion "anzustreben". Entsprechend fiel die Kritik der bündnisgrünen Landtagsopposition aus, die den Vertrag als „Augenwischerei“ bezeichnete. In den vergangenen Jahren sei der energiebedingte CO2-Ausstoß in Brandenburg durch die Braunkohleverstromung kontinuierlich angestiegen, 2010 auf 56 Millionen Tonnen, 2011 auf 57 Millionen Tonnen. „Erst 2012 hat sich Vattenfall damit gebrüstet, soviel Braunkohle wie nie zuvor verstromt zu haben. Sich nun als Klimaschützer aufzuführen, ist wenig glaubwürdig.“ so der Fraktionsvorsitzende Axel Vogel. Wir werden den Vertrag voraussichtlich im nächsten Rundbrief ausführlicher kommentieren.

4. "Flaechenfall": 8 Minuten aus dem Lausitzer Revier

In einem achtminütigen Film widmen sich Anja Piniek und Charlen Christoph dem Lausitzer kohlerundbrief 2013 09 30 bildKohlerevier. Er ist hier anzuschauen:
http://vimeo.com/70353179

5. Vogelgezwitscher lauter als Tagebaulärm?: Bergbaubehörde lehnt Messungen von Lärmbelastung in Welzow ab

Auf der Sitzung der Welzower Stadtverordnetenversammlung am 18. September sprach sich das zuständige Landesbergamt gegen Messungen der Lärmbelastung aus dem benachbarten Braunkohle-Tagebau aus. Hannelore Wodtke von der Bürgerinitiative „Vermutete Bergschäden“ forderte daraufhin ein immer wieder in Rede stehendes Nachtarbeitsverbot am Tagebau Welzow von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr.
Die Abgeordneten der Stadt Welzow hatten über einen Antrag zu entscheiden, der die Bildung einer Arbeitsgruppe zur Lärmbelastung vorsieht, die aus Vertretern des Landesbergamtes, dem Tagebaubetreiber Vattenfall, der Stadt Welzow und eventuell einem wissenschaftlichen Institut bestehen soll. Der Abgeordnete Lutz Frauenstein (Stadtumbau Welzow) informierte eingangs über die enorme Belästigung durch technische Anlagen wie der Bandanlage und Förderbetrieb. Auch gebe es Lautsprecherdurchsagen mitten in der Nacht oder Mitarbeiter von Vattenfall spielten über Lautsprecheranlagen lautstark Musik ab, berichtete Frauenstein aus Erfahrung.
Der Vertreter des Landesbergamtes Dr. Ulrich Obst lehnte das Ansinnen der Stadtverordneten ab. Der Lärm aus dem Tagebau sei technisch nur sehr schwer zu messen, da es auch Geräusche wie Hundegebell, Vogelgezwitscher und Rasensprenger geben könnte. Das Bergamt könne nur einschreiten, wenn der Lärm zweifelsfrei aus dem Tagebau komme, sagte Obst.
Die Äußerungen des Mitarbeiters des Landesbergamtes sorgten nicht nur für erhebliche Empörung im Publikum sondern auch bei den Stadtverordneten. So kritisierte Günter Jurischka (CDU-Fraktion): „Der Mensch kann zum Mond fliegen, aber sie wollen uns weismachen, eine Lärmmessung am Tagebaurand sein nicht möglich“. Dr. Günter Seifert (Bürgerforum Stadtumbau Welzow) verwies darauf, dass die am Flughafen Schönefeld erhobenen Daten der Lärmmessungen im Internet veröffentlicht werden. Der Mitarbeiter des Bergamtes erklärte darauf, dass Fluglärm mit Lärm aus dem Tagebau nicht zu vergleichen sei. Die massive Lärmbelastung sei für Obst nur eine „subjektive Bewertung Einzelner, die sich belästigt führen, weil sie gegen den Tagebau sind“. Auch gäbe nun einmal Menschen, die seien besonders sensitiv für gewisse Geräusche.
Obst berichtete, dass sein Bergamt zwei stichpunktartige Messkampagnen pro Jahr durchführt. Darüber hinaus würde der Konzern Vattenfall im Vorfeld über die Aktivitäten des Bergamtes informiert werden. Aus den Messreihen für den Lärm, die an verschiedenen Punkten in Tagebaunähe an mehreren Nächten durchgeführt werden, wird ein Mittelwert errechnet. „Wir können dabei keine besondere Belastung erkennen“, resümiert der Mitarbeiter des Bergamtes Obst.
Im vollbesetzten Sitzungsaal sorgte für Empörung, dass das Bergamt bislang noch keine einzige Lärmmessung vorgenommen hat, seit die Förderbrücke in Richtung Welzow gedreht hat. „Seit dieser Zeit ist die Lärmbelastung unerträglich geworden“. Der Bergamtsmitarbeiter wiegelt das Anliegen barsch ab: „Wir halten uns an das Gesetz“, sagte Obst.
Mit großer Mehrheit votierte die Welzower Stadtversammlung letztlich für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Lärmbelastung. Lediglich Reinhard Franke (SPD) stimmte als Einziger nicht für den Vorstoß zur Eindämmung der Lärmbelastung am Tagebau Welzow.
Quelle: Pressemitteilung des "Netzwerks Tagebaurand", gekürzt

6. Sorbischer Dachverband gegen neue Tagebaue

Hier eine nachgereichte Information: Gleichzeitig mit der Demonstration des Bündnisses "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" in Dresden hatte am 14. September der Bundesvorstand des sorbischen Dachverbandes Domowina getagt. In einem Beschluss fordert der Verband "den geregelten und geplanten mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle im sorbischen Siedlungsgebiet", wie das Neue Deutschland berichtet:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/833220.sorben-gegen-tagebaue.html
Seit 2011 hatte der niederlausitzer (brandenburgische) Regionalverband eine ablehnende Stellungnahme zum Tagebau Welzow II beschlossen. Dass sich der Bundesverband gegen Nochten 2 erst in letzter Minute vor der geplanten Verabschiedung des Braunkohlenplanes zu Wort meldet, blieb nicht ohne Kritik. „Damit erwacht die sorbische Dachorganisation aus einem von Vattenfall gesponserten Tiefschlaf.“, kommentiert beispielsweise Hannes Wilhelm-Kell von der "Lausitzer Allianz". Tatsächlich sucht man den Beschluss oder die dazugehörige Pressemitteilung auf der Internetseite der Domowina vergeblich.

7. Norwegen stoppt CCS-Projekt

Wie die "taz" vom 25. September berichtet, werden in Mongstad (Norwegen) alle Arbeiten für die dortige CCS-Anlage bis Jahresende eingestellt. Das Projekt sei zu teuer und technisch unausgereift. Im Jahr 2006 war es vom Ministerpräsidenten Stoltenberg noch als „unsere Mondlandung“ bezeichnet worden.

8. Volksentscheid in Hamburg erfolgreich

Gleichzeitig mit der Bundestagswahl hatten die Hamburger über die Rekommunalisierung ihrer Energienetze abgestimmt. Mit 50,9 % trug die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" nach monatelanger Arbeit letztlich den Sieg davon. Damit ist die Stadt nun verpflichtet, sich bei der nächsten Ausschreibung der Konzessionen im kommenden Jahr selbst um den Betrieb des Stromnetzes zu bewerben, das bisher Vattenfall betreibt. Das Ergebnis klingt knapp, doch in Hamburg und bei der Wahlbeteiligung einer Bundestagswahl sind 0,9 Prozent etwa 15.000 Menschen.

9. Leserbrief an den Wochenkurier

Den folgenden Leserbrief an den "Wochenkurier" hat uns Herr Burdack zur Verfügung gestellt, so dass wir ihn gern veröffentlichen:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
heute habe ich in der Ausgabe des Wochenkurier CAL/LÜB/LUC vom 25.09.2013 auf Seite 13 den Beitrag "61.078 Stimmen .... Ein 'Ja' zur Braunkohle" gelesen, der über die Unterstützeraktion des Vereins "Pro Lausitzer Braunkohle e.V." berichtet. Es leben ca. 600000 Menschen in der Lausitz. Da der Wochenkurier als Partner vom Verein "Pro Lausitzer Braunkohle e.V." ebenfalls seine Leser zur Unterstützeraktion aufgerufen hatte, bleiben unglaubliche 540000 Menschen unbeachtet, die nicht "Ja zur Braunkohle" sagen. Glaube ich dann noch unbestätigten Angaben, dann sollen ca. 6000 Menschen (10% der "Ja"-Sagen) unmittelbar von der Braunkohleausbeutung leben bzw. es sollen 20000 Arbeitsplätze gesichert werden.
Entsprechend der Aussage des Beitrages frage ich nun, welcher 'überwiegenden Teil der Menschen in der Region' denn nun den Energiestandort Lausitz 'aus Überzeugung aufrechterhalten' will? Ein Stimmenfang von "Ja"-Sagern sagt und bringt mir leider nichts.
Ich lade Sie gern nach Fürstlich Drehna ein, damit Sie sich ein Bild von der Realität machen, wie der Mensch plötzlich nach über 20 Jahren wegen der nun stattfindenen Abrutschgefahren in Totenstarre verfällt und den Ort, wie zu Zeiten des kalten Krieges durch Verbotsschilder umzingelt und von der Natur abriegelt. Hiesige Zukunftspläne für den Tourismus sterben leise, zum Glück für mich aber inzwischen weit weg, wo jetzt noch kompromisslos das MEGAgeile Geld verdient wird. - Danke für die objektive Berichterstattung!
Die Besichtigung eines aktiven Tagebaues kann ich nur empfehlen, denn besser kann eine Bildungslücke nicht geschlossen und Nächstenliebe nicht gelernt werden.
Mit freundlichen Grüßen, Detlef Burdack"

Termine

Ausstellung "Unverkäuflich"
26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

 

Lausitzer Menschen für einen früheren Kohleausstieg

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