Rundbrief vom 01. November 2013

1. Dorffest gegen neue Braunkohle-Tagebaue: Betroffene proklamieren Recht auf Heimatkohlerundbrief 2013 11 01 bild
2. Koalitionsverhandlungen zur Energiepolitik
3. Vattenfall-Chef verlängert seinen Vertrag nicht, Lausitzer Kohle soll verkauft werden
4. Petition gegen Nochten II jetzt auch online (bis 6.11.)
5. Ehemaliger Stasi-Spitzel agitierte für Vattenfall die Tagebaubetroffenen
6. Massive Einschüchterungsversuche gegen Tagebaukritiker
7. Spiegel berichtete kritisch, aber mit überhöhten Arbeitsplatz-Zahlen
8. Katholische Landjugend fordert Klimaschutzgesetz
9. Schweden will Vattenfalls Tagebaupläne in Deutschland nicht stoppen
10. Interview mit Heiko Kosel über Schleife, Proschim und die LINKE
11. Vorankündigung: am 30. November Demonstration in Berlin für die Energiewende
12. In eigener Sache

(Foto: ideengrün)

1. Dorffest gegen neue Braunkohle-Tagebaue: Betroffene proklamieren Recht auf Heimat

Auf dem Dorffest für Heimat und Zukunft im Atterwasch (Brandenburg) sprachen sich am Reformationstag über 500 Teilnehmer gegen neue Tagebaue in Deutschland aus. Das Bündnis „Heimat und Zukunft“, in dem sich Initiativen, Politiker aller Parteien und Vertreter von kohlerundbrief 2013 11 01 bildWirtschafts- und Umwelt-verbänden sowie der Kirche zusammen-geschlossen haben, veranstaltete das Treffen der Braunkohlekritikern bereits zum dritten Mal in dem von der Abbaggerung bedrohten Atterwasch.
In einer Podiumsrunde unter dem Titel "Gewissen der Energiewende" tauschten Betroffene aus Pödelwitz im mitteldeutschen Revier, Immerath im Rheinland und Proschim in der Lausitz ihre Erfahrungen aus. Der 47jährige Schlossermeister Thilo Kraneis aus Pödelwitz in Sachsen widersetzt sich konsequent der Umsiedlung: "Wir haben uns dieses Schicksal nicht ausgesucht, aber wir nehmen es an. Mit unserem Widerstand können wir viel zum Erfolg der Energiewende beitragen." Der Polizist Stephan Pütz aus Immerath steht mit seiner Klage gegen den Tagebau der RWE Power inzwischen vor dem Bundesverfassungsgericht. Bei der bevorstehenden Entscheidung des Gerichts geht es darum, ob sich aus dem Grundgesetz ein Recht auf Heimat ableiten lässt.
Klare Vorstellungen zur Energiewende vertrat in seiner Rede der Präsident des Bauernbundes Brandenburg, Karsten Jennerjahn: "Wir brauchen flexible Reservekraftwerke auf Gasbasis, die die Schwankungen von Wind und Sonne ausgleichen. Und in dem Maße, wie eine verlässliche Einspeisung aus überwiegend erneuerbaren Energien wächst, muss die Braunkohleverstromung zurückgefahren werden." (Foto: ideengruen)

2. Koalitionsverhandlungen zur Energiepolitik

Am Donnerstag traf sich erstmals die Arbeitsgruppe Energie der CDU-SPD-Koalitionsverhandlungen. Sie kann auch die Rahmenbedingungen für künftige Braunkohlenutzung stark beeinflussen. klimaretter.info schreibt am 25. Oktober: "Offener Brief an die Verhandler zur großen Koalition: SPD-Umweltpolitiker fordern von der Partei einen klaren Schwerpunkt bei der Klima­ und Nachhaltigkeitspolitik. Ihre Sorge ist, dass die Koalitions-Delegation, angeführt vom Kohleflügel der Partei, die Oberhand gewinnt." Der gesamte Artikel zu den Konfliktlinien in den Koalitionsfraktionen steht hier:
http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/14889

3. Vattenfall-Chef verlängert seinen Vertrag nicht, Lausitzer Kohle soll verkauft werden

Der oberste Vattenfall-Chef Oystein Loeseth wird seinen Vertrag "aus persönlichen Gründen“ nach März 2015 nicht erneut verlängern, wie am Dienstag bekannt wurde. Aus dieser Entscheidung kann man aber nicht mehr herleiten, als ohnehin bereits bekannt: Vattenfall teilt sich künftig in einen skandinavischen und einen zentraleuropäischen Teil auf, hat den Kampf um das Hamburger Stromnetz per Volksentscheid verloren, droht an diesem Sonntag das Berliner Netz ebenfalls zu verlieren und sucht Käufer für die Lausitzer Braunkohlenwirtschaft. Letzteres wird nun auch in öffentlichen Runden nicht mehr geleugnet, so geschehen am Dienstag abend bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrates der CDU in Cottbus. Käufer auch zu finden und mit ihnen handelseinig zu werden kann allerdings noch dauern. In der Presse wird der polnische Konzern PGE als Anwärter gehandelt, der dann die Tagebauvorhaben beiderseits der Grenze unter Kontrolle hätte. Nebenbei zeigt das, welches Gewicht der Vertrag wirklich hat, den die Landesregierung Brandenburg gerade erst mit Vattenfall ausgehandelt hat: Dort hat sich das Unternehmen noch mit großen Worten zum Standort Lausitz bekannt.

4. Petition gegen Nochten II jetzt auch online (bis 6.11.):

Zusätzlich zur Papierversion ist jetzt eine online-Möglichkeit zum unterschreiben eingerichtet. BItte nur online ODER auf Papier unterschreiben. Letzter Termin ist der 6. November:
https://secure.avaaz.org/de/petition/Stoppt_den_neuen_Tagebau_Nochten_II

5. Ehemaliger Stasi-Spitzel agitierte für Vattenfall die Tagebaubetroffenen

Einem Bericht des Spiegel von dieser Woche zufolge (S. 40 "Vattenfall ist überall"), lies Vattenfall seit Jahren einen ehemaligen Stasi-IM eine Zeitung erstellen, mit der Umsiedler und Anwohner des Tagebaues Nochten "informiert" werden. Der Journalist Gerhard Fugmann, der zu DDR-Zeiten als IM "Erich Fuchs" seine Kollegen bespitzelt haben soll, schrieb für das Vattenfall-Gratismagazin "Struga". Die Behauptung seiner Vattenfall-Auftraggeber, davon nichts gewußt zu haben, ist nur wenig glaubwürdig, Fugmanns Vergangenheit war in der betroffenen Region bei vielen Menschen allgemein bekannt. Obwohl das Blatt offiziell gemeinsam mit der Gemeinde Schleife herausgegeben wird, die per Beschluss Nochten II ablehnt, handelt es sich um ziemlich einseitige Informationen, die da verbreitet werden. Dabei wurde auch der menschengemachte Klimawandel geleugnet, was den Richtlinien des Vattenfall-Gesamtkonzerns massiv zuwiderlaufen dürfte. Auch die Potsdamer Neuesten Nachrichten griffen das Thema auf:
http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/799984/

6. Massive Einschüchterungsversuche gegen Tagebaukritiker

Aus dem Einzugsgebiet der Zeitung "Struga" kommt auch diese Nachricht: In den Abendstunden des 23. Oktober zündeten Unbekannte eine Sprengladung im Briefkasten zweier Familien in Neustadt/Spree (Oberlausitz) am Rande des Braunkohletagebaus Nochten, die als Mitglieder des Bündnisses "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II" bekannt sind. Die Eigentümer befürchteten aufgrund des lauten Knalls zunächst einen schweren Verkehrsunfall und eilten herbei. Der Anwohner Matthias Hermstein spricht von grober Fahrlässigkeit seitens der Täter: „Nicht nur unser Eigentum wurde absichtlich beschädigt. Die laute Explosion und die umherfliegenden und auf der Strasse verteilten Teile des Briefkastens stellten eine akute Gefahr für Unbeteiligte dar. Die Straße hier ist stark befahren. Einen Unfall scheinen die Täter in Kauf genommen zu haben.“ Teile des Briefkastens flogen bis zu 12 Meter weit auf die anliegende Landstrasse. Im Vorfeld wurde bereits zweimal der Aufsteller des Bündnisses „Unsere Dörfer sind zu schade zum Verheizen“ in Rohne beschädigt. Für Friederike Böttcher, Sprecherin des Bündnisses „Strukturwandel jetzt – Kein Nochten II“, deutet die Häufung dieser Ereignisse auf gezielte Aktionen gegen Tagebaukritiker hin: „Der anderen Seite scheinen die sachlichen Argumente auszugehen. Es ist traurig, dass sie die Auseinandersetzung um die Notwendigkeit eines Tagebau Nochten II auf diesem Niveau führt.“ Die Betroffenen erstatteten erneut Strafanzeige in der Hoffnung, dass Übergriffe dieser Art endlich ein Ende finden.

7. Spiegel berichtete kritisch, aber mit überhöhten Arbeitsplatz-Zahlen

Der "Spiegel" hat für seinen oben erwähnten Artikel kritisch recherchiert, ist der Kohlelobby aber in einer Frage doch auf den Leim gegangen: Er erwähnt anfangs angebliche 25.000 Arbeitsplätze, die die Braunkohle in der Lausitz sichere, die aber durch nichts belegt sind. Die häufig behauptete Zahl von 22.000 stammt aus einem von Vattenfall in Auftrag gegebenen Gutachten aus dem Jahr 2011. Unglücklich ist auch, dass am Ende des Artikels diesen direkten+indirekten+induzierten+erfundenen Kohle-Arbeitsplätzen lediglich die nachgewiesenen direkten 85 Arbeitsplätze des Firmenverbundes Proschim gegenüber gestellt werden. Eine realistische Rechnung sähe anders aus. In unserem Kohlerundbrief wurde schon häufiger darüber geschrieben, deshalb diesmal nur der Verweis auf
http://www.lausitzer-braunkohle.de/thema_arbeit.php

8. Katholische Landjugend fordert Klimaschutzgesetz

Am 19./20. Oktober tagte der Bundesausschuss der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) im Haus Venusberg in Bonn. Neben innerverbandlichen Themen wurden Forderungen an die KoalitionsverhandlerInnen von CDU/CSU und SPD beschlossen. Dabei forderte der Verband im Hinblick auf Klimaschutz und Energiepolitik die AkteurInnen auf, die Energiewende nicht zu verzögern. Die Zahl der Unternehmen, die von der EEG Umlage befreit sind, muss gesenkt werden; so lassen sich die Kosten für Privathaushalte reduzieren. Des Weiteren liegt es nun in der Verantwortung der Bundesregierung, verbindliche Emissionsziele sowie die Wege festzulegen, diese zu erreichen. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien beinhaltet dies auch die Reduktion des Kohleanteils an der Energieerzeugung sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Damit Deutschlands Klimaschutzbemühungen nicht nur nette Gesten bleiben, ist die gesetzliche Festlegung von Klimaschutzzielen in Form eines Klimaschutzgesetzes von Nöten. Was auf Landesebene (NRW) schon Realität ist, muss endlich auch bundesweit durchgesetzt werden und so den unverbindlichen Klimaschutzzielen der jeweiligen Bundesregierung entgegenstehen. Die KLJB (Katholische Landjugendbewegung Deutschlands) ist ein Jugendverband mit bundesweit rund 70.000 Mitgliedern. www.kljb.org (Quelle: Pressemitteilung, gekürzt)

9. Schweden will Vattenfalls Tagebaupläne in Deutschland nicht stoppen

Am 25. Oktober debattierte der schwedische Reichstag über die Braunkohlentagebaue von Vattenfall in Deutschland. Die Regierung machte dabei deutlich, dass sie die Entscheidung, fünf neue Braunkohle-Tagebaue aufzuschließen, dem Konzern bzw. der deutschen Politik überlassen will. Zuständig für das hundertprozentige Staatsunternehmen ist der Minister für Finanzmärkte, Peter Norman. Die Debatte war durch Anfragen der schwedischen Grünen in Gang gebracht und auch von Äußerungen der brandenburgischen Grünen begleitet worden. Die Antwort der Regierung als solche war voraussehbar. Aber sich erneut dafür im Parlament rechtfertigen zu müssen erhöht den Druck auf Vattenfall und die Regierungskoalition.

10. Interview mit Heiko Kosel über Schleife, Proschim und die LINKE

In einem Interview mit den Potsdamer Neuesten Nachrichten fasste der sächsische Landtagsabgeordnete Heiko Kosel (LINKE) die Kritik seiner Fraktion am Tagebau Nochten 2 zusammen. Er fand dabei auch kritische Worte über die brandenburger LINKE:
http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/797118/

11. Vorankündigung: am 30. November Demonstration in Berlin für die Energiewende

Für Sonnabend, dem 30. November ruft ein Bündnis aus Initiativen und Umweltverbänden zu einer Demonstration für die Energiewende in Berlin auf. Sie beginnt voraussichtlich gegen 13:00 Uhr am Hauptbahnhof und führt zu einer Kundgebung vor dem Kanzleramt gegen 16:00 Uhr. Aus der Lausitz sind Gruppenfahrten mit dem Brandenburg- oder Wochenendticket der Deutschen Bahn die sinnvollste Anreisemöglichkeit. Weiteres hier:
http://www.energiewende-demo.de/

12. In eigener Sache

Sie finden den Kohle-Rundbrief wichtig? Mit einer Fördermitgliedschaft in der Umweltgruppe Cottbus können Sie mithelfen, dass er auch künftig erscheint:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/ugc_foerdervereinbarung_%20mit_mandat.pdf

Termine

Ausstellung "Unverkäuflich"
26 April 2024
10:00 - 20:00
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Filmabend "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen"
21 Mai 2024
19:00 -
Salon des Franz-Mehring-Platzes 1, 10243 Berlin

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

 

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