Rundbrief vom 11. Dezember 2013

Erörterung Braunkohleplan Welzow-Süd Teilfeld II - Kurzbericht vom ersten Erörterungstag

Erörterung Braunkohlenplan Welzow-Süd Teilfeld II

Kurzbericht vom ersten Erörterungstag

Hier die aus unserer Sicht wichtigsten Nachrichten vom ersten Erörterungstag.

- Pro-Kohle-Verein: viele Demonstranten, wenige Diskutanten
- Umweltministerium boykottierte Erörterung
- Forderung nach Neuauslegung wegen Verletzung der Behördenneutralität
- Stadt Welzow sieht Tagebau als nicht notwendig an
- Zwei Sichtweisen auf Ausbildungsplätze
- Genauerer Blick auf Arbeitsplätze eingefordert
- Braunkohle laut DIW nicht mehr systemrelevant für das Stromnetz
- Gutachter des Wirtschaftsministeriums blamierte sich – Begründung des Tagebaus nicht schlüssig
- Tagungsleitung in der Kritik

Pro-Kohle-Verein: viele Demonstranten, wenige Diskutanten

Offensichtlich während ihrer Arbeitszeit waren zahlreiche Beschäftigte von Vattenfall und Tochterfirmen (z.B. gmb) angereist, um vor den Türen der Messehalle für das weitere Abbaggern von Lausitzer Dörfern zu demonstrieren. Ihnen standen zahlenmäßig zunächst weniger, aber deutlich buntere Kohlekritiker gegenüber. Bilder der kohlekritischen Proteste gibt es hier:
http://www.kein-weiteres-dorf.de/index.php/bilder/protestaktion-in-cottbus
Während anschließend praktisch alle kohlekritischen Demonstranten auch an der Erörterung teilnahmen, war das Interesse der Pro-Kohle-Demonstranten an den tatsächlichen Planinhalten und Argumenten nicht so stark ausgeprägt: Der extra bereitgestellte Raum, in dem bei Platzmangel Interessierte die Erörterung hätten verfolgen können, blieb leer. Auch die Cottbuser Rathausspitze, die auf der Demonstration noch für Stimmung unter den Kohlefreunden gesorgt hatte, war bei der sachlichen Diskussion plötzlich nicht mehr dabei, genausowenig der Gewerkschaftsfunktionär Freese. Ob die Gewerkschaft nur besonders ideologisch geschulten Kollegen die Argumente der Kohlekritiker zumuten wollte, oder ob die Arbeitgeber nur zum Demonstrieren freistellten, aber nicht zum Erörtern – wir wissen es nicht. Jedenfalls ließen die Redebeiträge im Saal schnell ein Verhältnis von etwa zwei Drittel kohlekritischem zu einem Drittel kohlefreundlichem Beifall erkennen.

Am ersten Tag standen die Tagesordnungspunkte Einführung, Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort Lausitz sowie energiepolitische Notwendigkeit zur Debatte.

Umweltministerium boykottierte Erörterung

Wie Tagungsleiter Herr Weymanns von der Landesplanungsbehörde informierte, habe das Umweltministerium des Landes Brandenburg (MUGV) im September eine sehr kritische Stellungnahme zur energiepolitischen Notwendigkeit, zum Klimaschutz und zur strategischen Umweltprüfung abgegeben. Danach habe die Landesplanungsabteilung „Fachgespräche geführt und deutlich gemacht, dass die Stellungnahme in weiten Teilen auf Missverständnissen beruht.“ Nach einem erneuten Schreiben des MUGV vom 3. Dezember habe dieses keine Notwendigkeit zur Teilnahme an der Erörterung mehr gesehen.

Forderung nach Neuauslegung wegen Verletzung der Behördenneutralität

Mehrere Redner kritisierten zu Beginn die Verletzung der behördlichen Neutralität im Zusammenhang mit der Unterschriftensammlung des Pro-Braunkohle-Vereins. In einigen Bürgerbüros, in denen der Planentwurf öffentlich ausgelegt worden war, waren die Bürger praktisch direkt daneben mit einer Unterschriften-Sammelbox und großer Werbung für die Pro-Tagebau-Kampagne agitiert worden, in Senftenberg sogar mit einer handschriftlichen Aufforderung, die mit „Ihr Bürgerbüro“ unterzeichnet war. Der Stadtverordnete Rainer Vogel übergab der Planungsstelle ein Foto davon und forderte eine Wiederholung der Auslegung unter korrekten Bedingungen. Die Landesplanungsabteilung rechtfertigte sich damit, dass sie diese Zustände unverzüglich nach Kenntnisnahme gestoppt habe (Anm.: allerdings erst mehrere Wochen nach Aufstellung der Boxen) Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen wies darauf hin, das das Problem nicht auf die Bürgerbüros beschränkt war. Dadurch dass eine flächendeckend verteilte Anzeige des Braunkohlevereins auf die Sammelboxen in den Bürgerbüros hinwies, kann man praktisch nicht mehr unterscheiden, wie viele Bürger bei ihrer Entscheidung von den parteiischen Auslegungsstellen beeinflusst waren.

Stadt Welzow sieht Tagebau als nicht notwendig an

Für die erste Überraschung des Tages sorgte die Welzower Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) mit einem unerwartet klaren Statement zur fehlenden energiepolitischen Notwendigkeit des Teilfeldes II. „Mit Ihren Ausführungen im Entwurf können Sie nicht plausibel rechtfertigen, dass die Kohle aus dem Teilabschnitt II benötigt wird“ so Zuchold mit dem Verweis auf die riesige Kohlemenge von 232 Millionen Tonnen, die das nach heutigen Maßstäben ineffiziente Kraftwerk Jänschwalde versorgen sollen, der Plan diene also nicht wie behauptet der Versorgung des modernen Kraftwerkes Schwarze Pumpe.
Man müsse also entweder offiziell zugeben, dass der Plan eigentlich der Versorgung des alten Kraftwerkes Jänschwalde diene. Oder – und das sei die für die Stadt Welzow weitaus bessere Variante – man müsse entscheiden, welche Bereiche aus dem Abbaugebiet zu entlassen sind.

Zwei Sichtweisen auf Ausbildungsplätze

Marko Bedrich sprach stellvertretend für die Auszubildenden bei Vattenfall und hob die wichtige Rolle des Unternehmens für die Ausbildung in der Region hervor. Allerdings wurde das von Dr. Kapelle aus Proschim am Rande seines Redebeitrages relativiert, der darauf hinwies, wie viele offene Lehrstellen es aktuell in Brandenburg gebe. Wie viele Unternehmen noch Lehrlinge suchen, könne sich jeder im Internet ansehen.

Genauerer Blick auf Arbeitsplätze eingefordert
Der Vattenfall-Vertreter bestätigte auf Nachfrage, dass derzeit im Tagebau Welzow-Süd 550 und im Kraftwerk Schwarze Pumpe 174 direkt Beschäftigte tätig sind. Auch wenn diesem Tagebau weitere Beschäftigte aus Verwaltung, Serviceeinheiten und Fremdfirmen zugeordnet werden können, wurde deutlich, dass es sich um viel geringere Größenordnungen handelt, als in der Kampagne des Pro-Braunkohle-Vereins und der IGBCE propagiert werden.

Braunkohle laut DIW nicht mehr systemrelevant für das Stromnetz

Prof. von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat in den vergangenen Monaten bereits mehrfach Vorträge und Diskussionen in der Lausitz bestritten, brachte allerdings dennoch eine Neuigkeit mit. Vor zehn Tagen habe das DIW drei Studien zur Versorgungssicherheit veröffentlicht. Es sei selbst vom Ergebnis überrascht worden, dass Braunkohlekraftwerke bereits heute nicht mehr systemrelevant für die Sicherheit des Stromnetzes sind. Hirschhausen wehrte sich im Folgenden gegen massive Angriffe des Vertreters des Lobbyorganisation Deutscher Braunkohlen Industrie Verein (DEBRIV).

Gutachter des Wirtschaftsministeriums blamierte sich – Begründung des Tagebaus nicht schlüssig
Mit gewisser Spannung war der Vortrag von Prof. Erdmann erwartet worden, der im Auftrag des Wirtschaftsministeriums die Notwendigkeit des Tagebaues Welzow II begründet hatte und dessen Zahlen Grundlage des ausgelegten Planentwurfes sind. Das Gutachten stellte Prof. Erdmann dann allerdings mit den Worten vor: „Das ist ein Szenario, man kann es im Grunde auch anders machen.“ Bereits hier wurden die ersten Anwesenden stutzig, denn Umsiedlungen wären nur bei klarer Notwendigkeit begründbar.
Prof. Erdmann propagierte Braunkohleverstromung in der Lausitz bis ins Jahr 2068, konnte aber auf Nachfrage nicht erklären, wann dabei in seinem eigenen Szenario welcher Kraftwerksblock außer Betrieb gehen würde.
Auch bei den anderen Nachfragen konnte er die Anwesenden nicht überzeugen. So geht er davon aus, dass Braunkohlekraftwerke aus technischen Gründen künftig 2540 Stunden pro Jahr (Anm.: das sind mehr als drei Monate) auch dann am Netz bleiben, wenn genug erneuerbarer Strom angeboten wird und sie gar nicht gebraucht werden. Erdmann musste zugeben, dass er einen Einspeisevorrang der Braunkohle vor Erneuerbaren Energien voraussetzt. Schließlich verblüffte er die Anwesenden damit, dass er wörtlich sagte, man werde „vielleicht noch was erfinden, damit dieser Strom noch gebraucht werden kann“. Deutlicher kann man nicht belegen, dass Braunkohlestrom nicht mit Erneuerbaren Energien vereinbar ist.
Der Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung, brachte es auf den Punkt: Erdmann wolle die Instrumente, die zur Förderung erneuerbarer Energien gedacht sind (Speichertechniken, Netzausbau) in einer Art feindliche Übernahme für die Braunkohle in Anspruch nehmen und so die Kohle subventionieren lassen. Das sei mit dem Anliegen der Energiewende nicht vereinbar.
Es ist einfach absurd: Die Energiestrategie des Landes begründet Braunkohletagebaue damit, dass Stromspeicher noch nicht zur Verfügung stehen. Ihr eigener Gutachter setzt diese Stromspeicher aber voraus, um damit Braunkohlekraftwerke am Netz zu halten.

Tagungsleitung in der Kritik

Die Tagungsleitung fing zunächst ausgewogen an. Bald zeigte sich jedoch, dass der Leiter der Braunkohlenplanung Herr Weymanns viel zu gern selbst redet, um unabhängig moderieren zu können. Nahezu jeder gehaltene Redebeitrag wurde von ihm anschließend kommentiert oder bewertet, so dass sich die Beschwerden über die Tagungsleitung immer mehr häuften, je weiter der Tag voranschritt.

Zwei schriftlich vorliegende Redebeiträge der GRÜNEN LIGA vom ersten Erörterungstag sind im Internet veröffentlicht, unter anderem zum Thema Arbeitsplätze/ Wirtschaftsstandort Lausitz:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/131210_welzow_redebeitrag_einfuehrung.pdf
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/131210_welzow_redebeitrag_arbeitsplaetze.pdf

Da gegen 20:30 Uhr die Rednerliste noch nicht abgearbeitet war, wird der Tagesordnungspunkt energiepolitische Notwendigkeit am nächsten Tag fortgesetzt.

Dieser Kurzbericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zahlreiche Redebeiträge gaben nur die üblichen schon vielfach vorgetragenen Sprachregelungen wieder, etwa der des Landrates, des Wirtschaftsministeriums, des Pro-Braunkohle-Vereins oder auch die recht lustlos vorgetragene Vattenfall-Rede.

 

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