Rundbrief vom 22. Oktober 2014

1. Entscheidung der schwedischen Regierung ermöglicht schrittweisen Braunkohleausstieg in der Lausitz
2. Bauernpräsidenten bestärken Schweden in braunkohlekritischem Kurs
3. RBB-Sendung „Ozon“ ausführlich über die Lausitzer Kohle
4. Zum Entwurf des brandenburger Koalitionsvertrages
5. Bundesrat befasst sich mit Bergschäden
6. Offener Brief an Entscheidungsträger zum Restsee Cottbus-Nord
7. Umsiedlungen für Tagebau Nochten verzögern sich
8. Am 31. Oktober nach Atterwasch
9. EU-Gipfel zum Klimaschutz in Brüssel
10. Der DEBRIV auf Dummenfang

1. Entscheidung der schwedischen Regierung ermöglicht schrittweisen Braunkohleausstieg in der Lausitz

Anfang Oktober kündigte die neue rot-grüne schwedische Regierung an, eine Ausweitung des Braunkohleabbaus durch Vattenfall verhindern zu wollen. Das Vorhaben soll von einer Arbeitsgruppe aus zwei sozialdemokratischen und zwei grünen Ministern konkretisiert werden. Sie hat die Aufgabe, die Eignerdirektive des Staates für das Unternehmen Vattenfall zu überarbeiten.
Die GRÜNE LIGA begrüßt diese Grundsatzentscheidung. Die Ankündigung muss aber schnellstmöglich konkretisiert und verbindlich umgesetzt werden. Der Strukturwandel in der Lausitz wird davon profitieren, wenn die bisher von Abbaggerung oder Randlage bedrohten Orte eine langfristige Zukunft und Planungssicherheit haben. In den zum Abbau genehmigten Tagebauen steht Vattenfall etwa eine Milliarde Tonnen Braunkohle zur Verfügung. Mehr wird für eine Brückentechnologie nicht gebraucht. Mit dieser Kohle kann ein schrittweiser Ausstieg bis etwa zum Jahr 2040 gestaltet werden. Dazu muss Vattenfall mit dieser Kohle sorgfältiger umgehen und den Strom nicht bei geringsten Preisen europaweit verschleudern.
Die Entscheidung Schwedens muss folgerichtig die Tagebaue Jänschwalde-Nord, Welzow-Süd II und Nochten 2 betreffen. Für alle drei Vorhaben hat Vattenfall bisher keinen Genehmigungsantrag eingereicht. Die bergrechtliche Genehmigung (Rahmenbetriebsplan) ist das eindeutige Maß dafür, ob ein neues Bergbauvorhaben begonnen wird. Braunkohlenpläne, wie sie zu Nochten 2 und Welzow-Süd II vorliegen, sind dagegen landesplanerische Entscheidungen der Länder. Sie können nur umgesetzt werden, wenn ein Bergbauunternehmen auch entsprechende Genehmigungsanträge stellt. Das wäre mit dem Ziel der neuen schwedischen Regierung nicht vereinbar. Die von den Ländern Brandenburg und Sachsen beschlossenen Pläne müssen daher wieder geändert werden. (Pressemitteilung GRÜNE LIGA 3.10.2014)

2. Bauernpräsidenten bestärken Schweden in braunkohlekritischem Kurs

Vier Tage nach den Ministerpräsidenten Brandenburgs und Sachsens haben die Bauernpräsidenten beider Bundesländer sich mit einem Schreiben zum Thema Vattenfall an den neuen schwedischen Regierungschef Stefan Löfven gewandt. Karsten Jennerjahn, Präsident des Bauernbundes Brandenburg, und Roland Freiherr von Fritsch, Präsident des Bauernbundes Sachsen, bestreiten darin die von Woidke und Tillich dargelegte Bedeutung der Braunkohle für die Wirtschaftsstruktur der Lausitz und das Gelingen der Energiewende. Sie versichern Löfven die Unterstützung ihres Berufsstandes für seinen braunkohlekritischen Kurs.
Die von den Ministerpräsidenten angegebene Zahl von 30.000 angeblich von der Braunkohle abhängigen Arbeitsplätze sei "unseriös hochmanipuliert", zudem werde die Ausbeutung der genehmigten Tagebaue und Landschaftsreparatur noch Jahrzehnte arbeitsplatzwirksam bleiben. Jennerjahn und Fritsch sprechen von einer "Lähmung der Region" durch die Braunkohle-Lobby, die mit der Neuausrichtung von Vattenfall zugunsten eines wirtschaftlichen Aufbruchs beendet werden könne.
"Die Braunkohleverstromung hat in nicht einmal einem Jahrhundert rund ein Viertel der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche der Lausitz vernichtet, unfruchtbare Kippen und tote Restseen zurückgelassen, auf denen in für Menschen absehbarer Zeit kein produktives Wirtschaften möglich sein wird", kritisieren die Bauernpräsidenten. Auch die Zerstörung der Dörfer und die Entwurzelung ihrer Bewohner sei ein Akt der Barbarei, betonen Jennerjahn und Fritsch und bestärken Löfven ausdrücklich darin, durch Verzicht auf neue Tagebaue ein geordnetes Auslaufen der Braunkohleverstromung und neue wirtschaftliche Perspektiven für die Lausitz zu ermöglichen.
(Pressemitteilung Bauernbund 17.10.2013)

3. RBB-Sendung „Ozon“ ausführlich über die Lausitzer Kohle

Das Umweltmagazin des RBB-Fernsehens hat sich in der Sendung vom Montag ausführlich mit den langfristigen Folgen des Braunkohlenbergbaus beschäftigt. Die Sendung ist hier in der Mediathek abrufbar:
http://mediathek.rbb-online.de/rbb-fernsehen/ozon-unterwegs/kohlelandschaft-lausitz-die-nebenwirkungen-des-bergbaus?documentId=24209318

4. Zum Entwurf des brandenburger Koalitionsvertrages

Seit dem 10. Oktober ist der zwischen SPD und Die Linke in Brandenburg verhandelte Koalitionsvertrag öffentlich. Die Mitglieder der Linken können bis 30. Oktober darüber abstimmen, bevor der Landesparteitag am 1. November in Potsdam darüber entscheiden soll. Dabei werden sie von den Parteistrukturen natürlich nicht neutral informiert, sondern es wird intensiv für die Zustimmung geworben.
Energiepolitisch haben sich die bereits in unserem Rundbrief vom 1. Oktober geäußerten Befürchtungen bestätigt. Der Vertragsentwurf enthält letztlich keine konkrete Festlegung, die zum schrittweisen Braunkohleausstieg im Sinne des linken Partei- und Wahlprogrammes führen würde. Aussagen zugunsten der Fortführung der Braunkohleverstromung finden sich dagegen zahlreich, auch wenn einige davon indirekt und verschleiert formuliert werden. Eine Reihe von Zitaten und Anmerkungen ist hier auf vier Seiten zusammengestellt:
www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/141012_koa-vertrag_anmerkungen_internet.pdf
Die Linke wird die Konkretisierung der allgemeinen Aussagen voraussichtlich der SPD überlassen, falls diese das Ministerium leitet, in dem die energiepolitischen Kompetenzen gebündelt werden sollen. Welche Kompetenzen damit aber eigentlich gemeint sind, bleibt unklar. Nicht bekannt ist auch, wie die Ministerien zwischen SPD und LINKE verteilt werden sollen. Das nämlich soll erst noch verhandelt und erst auf den Parteitagen (also ohne Vorbereitungszeit für die Delegierten) zur Abstimmung stehen. Da die praktische Politik nicht nur vom Vertragstext, sondern ganz wesentlich auch von Personen und ihren Befugnissen gemacht wird, stochert die linke Basis bei ihrem Mitgliederentscheid derzeit im Nebel und darf auf Überraschungen gespannt sein. Absurderweise ist rot-schwarz bei den Sondierungen angeblich allein an der Besetzung der Ministerposten gescheitert. Bei rot-rot ist die nicht einmal nach den Koalitionsverhandlungen bekannt.
Fazit: Der notwendige Ausstieg aus der Braunkohle wird offenbar nicht wegen der brandenburger Linken kommen. Wir arbeiten wir daran, dass er notfalls eben trotz der brandenburger Linken kommt. Und dabei sind unsere Chancen so gut wie lange nicht.

5. Bundesrat befasst sich mit Bergschäden

Der Bundesrat befasste sich in seiner Sitzung am 10. Oktober mit der Beweislastumkehr bei Bergschäden. Vom Land Nordrhein-Westfalen war beantragt worden, dass Betroffene nicht mehr den Nachweis erbringen müssen, dass die Schäden auf die Braunkohle- und Erdgasförderung zurückgehen. Stattdessen sollen die Bergbautreibenden in der Pflicht stehen, diesen Zusammenhang zu widerlegen. Die Länderkammer verwies den Antrag zur weiteren Debatte in die Ausschüsse.
„Endlich ist das Thema auf Bundesebene angekommen. Wir erwarten jetzt einen zeitnahen Beschluss des Bundesrates, um die himmelschreiende Ungerechtigkeit abzustellen“, sagte die Sprecherin des Lausitzer Netzwerks Bergbaugeschädigter Petra Franz aus Neupetershain. In Brandenburg gibt es derzeit keinerlei Hilfe für die Betroffenen, die häufig einem Kampf wie David gegen Goliath ausgesetzt sind. „Auch die lange von der Landesregierung angekündigte Schiedsstelle ist noch nicht eingerichtet“, kritisiert Franz.
Nach massivem Protest aus der Lausitz hatte das Brandenburger Landesparlament im Juni 2013 der Prüfung einer Bundesratsinitiative für eine Beweislastumkehr und der Einrichtung einer Schiedsstelle für Bergbaubetroffene zugestimmt.
(Quelle: Pressemitteilung des Lausitzer Netzwerkes Bergbaugeschädigter, gekürzt)
Zum Bundesrats-Antrag:
http://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2014/0401-0500/0427-14.html

6. Offener Brief an Entscheidungsträger zum Restsee Cottbus-Nord

Die Bürgerinitiative „Achtung Ostsee“ hat sich mit einem offenen Brief an Abgeordnete und Entscheidungsträger der Region gewandt. Im ersten Quartal 2015 solle die öffentliche Auslegung des Planes für die Flutung des „Cottbuser Ostsees“, also des Vattenfall-Tagebaues Cottbus-Nord stattfinden. In den letzten Monaten und Wochen wurden dazu immer mehr Bedenken und Ängste von Einwohnern umliegender Orte bekannt. Der zukünftige See soll eine Wasserspiegelhöhe von bis zu 63,5 Metern über Null und eine Fläche von 19 Quadratkilometern haben. Der benachbarte Ort Maust liegt ca. 61 Meter hoch. Im offenen Brief heißt es:
„Diese dann entstehende Grundwasser-Situation ist mit den derzeit bekannten Plänen und dem Flutungskonzept des Ostsees für Maust nicht mehr beherrschbar. (...) Wir sehen auf uns gravierende Einschnitte in unsere Lebens- und Wohnsituation in unserem Ort zukommen. Bisherige Fragen und Hinweise auf diese Probleme wurden nicht zur Kenntnis genommen. Deswegen haben wir uns zur Bürgerinitiative „Achtung Ostsee“ zusammengeschlossen. Wir möchten, dass die Entscheidungsträger die Probleme hören und erkennen und Lösungen suchen.“
Das vollständige Brief (2 Seiten) steht hier zum Herunterladen bereit:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/141015_achtungostsee.pdf

7. Umsiedlungen für Tagebau Nochten verzögern sich

Laut Berichten der Lausitzer Rundschau (Lokalseite Weißwasser, 9. Oktober) verzögert sich der Start für die durch den Tagebau Nochten bedingten Umsiedlungen in den Gemeinden Trebendorf und Schleife. Er war bisher für den 1. April 2015 geplant. Die Entschädigungsverträge seien aber noch nicht unterschriftsreif. Zudem verfüge Vattenfall noch nicht über alle Grundstücke, die für den Bau der Erschließungsstrassen benötigt werden.

8. Am 31. Oktober nach Atterwasch

Auch in diesem Jahr findet am Reformationstag das jährliche Treffen des Bündnisses „Heimat und Zukunft Brandenburg“ statt. Näheres in dieser Einladung:
http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/heimatzukunft_2014.pdf

9. EU-Gipfel zum Klimaschutz in Brüssel

Vom 23.-24. Oktober 2014 wird der EU-Gipfel in Brüssel die klima- und energiepolitischen Rahmenbedingungen für die Zeit nach 2020 festlegen. Die Europäische Union steht als Gastgeberin des Weltklimagipfels 2015 in Paris in besonderer Verantwortung: Wird auf dem EU-Gipfel eine Einigung erzielt, wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung eines globalen Klimaschutzabkommens, das den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur unter 2°C halten muss.
Der klima- und energiepolitische Fahrplan bis 2030 sieht bisher auf EU-Ebene lediglich eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 40 Prozent, den Ausbau der erneuerbaren Energien von 27 Prozent und eine Steigerung der Energieeffizienz um 30 Prozent vor. Es ist weiterhin unklar, ob es gelingen wird, eine verbindliche Zieltrias und die Festlegung auf „mindestens“ 40 Prozent Emissionsminderung zu verabschieden, wie Deutschland, Großbritannien und Schweden es fordern.
Um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Chancen einer ambitionierten europäischen Klima- und Energiepolitik nach 2030 nutzen zu können, bedarf es in der Gesamtheit jedoch weit höherer Reduktionsziele. Dies hat auch ein Teil der Wirtschaft erkannt. In einem Schreiben an den Ratspräsidenten der Europäischen Union Herman Van Rompuy und den EU-Ratsvorsitzenden Matteo Renzi, fordern 49 Wirtschaftsverbände und Unternehmen aus ganz Europa ein verbindliches EU-Energieeffizienzziel von mindestens 40 Prozent bis 2030.
Deutschland muss sich daher auf dem kommenden EU-Gipfel für ein verbindliches europäisches Klima- und Energiepaket 2030 mit den folgenden drei Zielen einsetzen:

  • Reduktion von mindestens 50 Prozent der Treibhausgasemissionen (gegenüber 1990)
  • Einen Anteil von 45 Prozent Erneuerbarer Energien am Europäischen Energiemix
  • Energieeinsparungen von 40 Prozent (gegenüber 2005)

Mit einem solchem klaren Bekenntnis der Europäischen Union zum Klimaschutz, zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zur Energieeinsparung würden die internationalen Klimaverhandlungen wieder an Fahrt aufnehmen und ein globales Klimaabkommen in Paris 2015 näher rücken. (Quelle: Klima-Allianz, gekürzt)

10. Der DEBRIV auf Dummenfang

Der Deutsche Braunkohle Industrie Verein (DEBRIV) beklagt in einer aktuellen Pressemitteilung eine Anti-Kohle-Kampagne verschiedener Umweltverbände. Dabei ist mal wieder das folgende Argument zu hören: Ein Braunkohleausstieg brächte für den Klimaschutz nichts, weil das Europäische Emissionshandelssystem dann mehr Emissionen an anderer Stelle erlauben würde. Dazu muss man wissen, dass der Emissionshandel in Handelsperioden abläuft, für die jeweils vorher die Menge verfügbarer Zertifikate (das „cap“) festgelegt wird. Der Emissionshandel würde tatsächlich (und nicht nur beim Thema Braunkohle) gar keinen Sinn machen, wenn diese Caps nicht von einer Handelsperiode zur nächsten sinken. Egal wie man zum Emissionshandel steht - das gehörte von Anfang an zum Konzept dazu. Für die Zeit nach 2020, um die es beim schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle vor allem geht, ist die Anzahl der Zertifikate aber gerade noch nicht festgelegt. Es ist ein perfides Spiel: Der DEBRIV argumentiert in Deutschland, wegen dem Emissionshandel mache der Braunkohlenausstieg keinen Sinn. Seine Lobbyisten in Brüssel wollen dagegen wegen der Braunkohle ehrgeizige Klimaschutzziele, entsprechend geringe Zertifikatmengen und damit einen tatsächlich wirksamen Emissionshandel verhindern...

Der Rundbrief als pdf (4 S., 210 kB)