Rundbrief vom 03. November 2014

1. Lausitzer Politiker aller Parteien fordern von Schweden Verzicht auf neue Kohletagebaue
2. Vattenfall kündigt Verkauf der Braunkohlensparte an, aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen
3. Bündnis „Heimat und Zukunft“ feierte in Atterwasch
4. „Quo vadis Vattenfall – Was bleibt, wenn Vattenfall geht?“ (Podium am 4. November in Berlin)
5. Lobbyisten-Karussel: SPD-Gerber beerbt LINKE-Christoffers
6. Vattenfall reichte Rahmenbetriebsplan für Tagebau Nochten 2 ein
7. Workshop zu Bergrecht am 15. November
8. Kohlekritisches beim Cottbuser Filmfestival

1. Lausitzer Politiker aller Parteien fordern von Schweden Verzicht auf neue Kohletagebaue

Stockholm, 27.10.2014. In einem gemeinsamen Brief bestärken Lausitzer Kommunalpolitiker aller Parteien die schwedische Regierung in ihrem Vorhaben, den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung voranzutreiben und die Umsiedlung weiterer Dörfer durch den Staatskonzern Vattenfall abzuwenden. Der Brief wurde auch unterzeichnet von Stephan Hilsberg, ehemaliger Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Mitbegründer der sozialdemokratischen Partei in Ostdeutschland. Neben der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung der 20.000 Einwohner zählenden Stadt Guben, Kerstin Nedoma (LINKE) und ihrem Amtskollegen aus der Gemeinde Schenkendöbern, Bernd Howorek (CDU) sprechen sich die Bürgermeister von Wiesengrund, Nebelschütz und Panschwitz-Kuckau sowie zahlreiche Ortsvorsteher der Region für ein planvolles Ende der Braunkohleverstromung aus.
„Wir sind der Meinung, dass Vattenfall die Region Lausitz nicht verlassen darf, sondern seine Unternehmensziele, nämlich den Übergang zu umweltfreundlicher und nachhaltiger Energieversorgung mit erneuerbaren Energien, auch aktiv in Deutschland umsetzen sollte.“ heißt es in dem Schreiben, das heute an den schwedischen Ministerpräsident Stefan Löfven übermittelt wurde. Doch nach den bereits genehmigten Tagebauen müsse Schluss sein und Vattenfall auf weitere Abbaugebiete wie Welzow-Süd II, Nochten II und Jänschwalde-Nord und die Umsiedlung weiterer Dörfer verzichten. „Die notwendigen Umbauprozesse können und müssen sozial abgefedert werden. Das ist leistbar, wenn Vattenfall aktiv daran mitwirkt!“ fordern die Lausitzer Politiker von der schwedischen Regierung. Den Brief des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke nach Schweden kommentierte einer der Unterzeichner mit den Worten: „Auch in der Lausitz nimmt die Kritik am Braunkohlenabbau immer weiter zu. Herr Woidke sollte nicht versuchen, die schwedische Politik darüber zu täuschen, sondern gemeinsam mit Schweden einen Fahrplan zum schrittweisen Ausstieg vereinbaren.“
In der Stadt Guben und der Gemeinde Schenkendöbern haben sich die Parlamente über alle Parteien hinweg einstimmig gegen den drohenden Tagebau Jänschwalde-Nord gewandt. Gegen den Tagebau Welzow-Süd, Teilfeld II gingen aufgrund der bundesweiten Bedeutung für den Klimaschutz 120.000 Einwendungen im Braunkohlenplanverfahren ein, Tausende davon aus dem Lausitzer Kohlerevier. Auch das Kirchenparlament der Evangelische Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz hat sich in mehreren Synodalbeschlüssen der letzten Jahre eindeutig für den "Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung" positioniert. Namhafte Vertreter der sorbischen Minderheit in der Lausitz haben bereits am 2. September in einem Schreiben an die schwedische Vorgängerregierung deutlich gemacht, dass eine Mehrheit der Sorben die sorbische Kultur durch Vattenfalls Braunkohlentagebau bedroht sieht.
Über den Brief wurde auf der Titelseite der größten schwedischen Zeitung „Dagens nyheter“ berichtet. Er steht vollständig hier im Internet: 

http://www.lausitzer-braunkohle.de/Texte/141027_schweden_brief_dt

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2. Vattenfall kündigt Verkauf der Braunkohlensparte an, aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen

Am 30. Oktober kündigte der Vattenfall-Vorstand in Stockholm an, „Optionen für eine neue Eigentümerstruktur seines Braunkohlegeschäfts zu prüfen“. In den nächsten Monaten soll jedoch zugleich eine Arbeitsgruppe aus vier Ministern die Eignerdirektive für das Staatsunternehmen überarbeiten. Eine Entscheidung kann erst am Ende beider Prozesse fallen. Sie ist von der schwedischen Politik, nicht von den Managern des Unternehmens zu treffen. Derweil wurde heute auf einer Gewerkschaftskonferenz der tschechische Konzern EP Energy als möglicher Käufer genannt. Die GRÜNE LIGA bezeichnete in einer Pressemitteilung den beabsichtigten Verkauf als klimapolitischen Etikettenschwindel und forderte von der schwedischen Regierung, sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen. Angesichts der energiepolitischen Unsicherheiten und der angekündigten Klageverfahren gegen Braunkohlenpläne dürfte es Vattenfall zudem schwer fallen, für die Lausitzer Braunkohle einen attraktiven Preis zu erzielen. Unsere Äußerung wurde von zahlreichen schwedischen Medien an prominenter Stelle aufgegriffen.

3. Bündnis „Heimat und Zukunft“ feierte in Atterwasch

Auf einem "Dorffest für Heimat und Zukunft" haben am Reformationstag in Atterwasch rund 300 Braunkohle-Kritiker die Einstellung aller Tagebauplanungen gefordert. Die Kreistagsvorsitzende von Spree-Neiße Monika Schulz-Höpfner (CDU), die ehemalige bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Sabine Niels und Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung kündigten an, "mit Rückenwind aus Schweden" den Widerstand gegen die "Verwüstung der Lausitz" zu verstärken und vor allem in den Parteien eine Diskussion über den notwendigen Strukturwandel der Region anzuregen.
Der Spremberger Christdemokrat Andreas Kottwitz informierte, dass sich in der CDU bereits eine Initiativgruppe Energiewende gebildet habe. "Die Energiewende ist gesellschaftlicher Konsens über alle Parteigrenzen hinweg, die brandenburgische Landesregierung sollte sich ihr nicht länger entgegenstellen", sagte auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt aus Oder-Spree. Stephan Hilsberg, Mitgründer der Ost-SPD und früherer Bundestagsabgeordneter aus Lauchhammer, appellierte an seine Partei, sich auf ihre Wurzeln aus der Wendezeit zu besinnen: "Gigantische Umweltzerstörungen waren für uns damals ein Grund, auf die Straße zu gehen – warum sollten wir sie heute akzeptieren?" Unterstützung erhielten die Braunkohle-Gegner durch den Energieexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Christian von Hirschhausen, der unabhängig von der schwedischen Politik ein Auslaufen der Braunkohleverstromung bis 2040 prognostizierte: "Bayern verweigert Stromtrassen für Braunkohlestrom, Nordrhein-Westfalen verkleinert Tagebaue und in der Kapazitätsplanung der Bundesregierung kommen viele Braunkohlekraftwerke schon nicht mehr vor." (Quelle: Pressemitteilung Bauernbund Brandenburg)

4. „Quo vadis Vattenfall – Was bleibt, wenn Vattenfall geht?“ (Podium am 4. November in Berlin)

Anlässlich der brisanten politischen Diskussion zu Vattenfalls Zukunft organisiert die Gruppe „Kohleausstieg Berlin“ die erste Veranstaltung einer Reihe, die sich mit dem Thema Kohle und Berlin auseinandersetzt. Sie findet am Dienstag, den 4. November von 19.00 bis 21.00 Uhr im Havemann-Saal, Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin statt.
Die neue rot-grüne Regierung in Schweden will Vattenfalls Braunkohleförderung in Brandenburg stoppen. Ein Ausstieg würde für Vattenfall sowie für die Länder Berlin und Brandenburg bedeuten, neue Wege in Sachen Energiewende und Klimaschutz gehen zu müssen.

  • Wäre so der endgültige Abschied Vattenfalls aus Deutschland besiegelt?
  • Welche Auswirkungen ergeben sich für die Regierungen in Berlin und Brandenburg?
  • Was passiert mit den geplanten und betriebenen Tagebauen?

Diese und viele weitere energiepolitisch spannende Fragen sollen an dem Abend Thema sein.
Wir diskutieren mit:

  • Thomas Domres, LINKE Brandenburg (angefragt),
  • Alexander Jung, Vattenfall GmbH,
  • Martina Krüger, Greenpeace Schweden,
  • Karsten Smid, Greenpeace Deutschland

„Kohleausstieg Berlin“ setzt sich zusammen aus Vertreter*innen verschiedener entwicklungs- und umweltpolitisch aktiven Organisationen. Die Kohleaussteiger*innen sind u.a. Attac Berlin AG Energie, BUND Berlin, Bürgerbegehren Klimaschutz, Gegenstrom Berlin, Grüne Liga Berlin, Naturfreunde Berlin und PowerShift.

5. Lobbyisten-Karussel: SPD-Gerber beerbt LINKE-Christoffers

Brandenburg hat eine neue Regierung. Eine Abkehr vom Braunkohlelobbyismus war und ist unter Dietmar Woidke aber nicht zu erwarten. Das bestätigte sich erneut, als am Sonnabend die konkrete Besetzung der Ministerposten bekannt wurde.Das Wirtschafts- und Energieministerium geht von der Linken an die SPD über und wird vom bisherigen Staatskanzleichef Albrecht Gerber geleitet. Der Staatskanzlei wurden bereits in der vergangenen Legislatur regelmäßige enge Abstimmungen mit dem Kohlekonzern Vattenfall nachgesagt. Im Zweifelsfall habe Gerber dabei auch in die Zuständigkeiten der Fachministerien hineinregiert, berichten Insider. Nun muss der Drahtzieher des Kohlelobbyismus auch mit dem eigenen Gesicht für seine Politik stehen. Für die Braunkohleplanung als Teil der Raumordnung im Infrastrukturministerium ist künftig Kathrin Schneider zuständig. Die bisherige Staatssekretärin ist derzeit vielen durch die Flugrouten-Kommission bekannt. Sie hat ihre Karriere aber in der Braunkohlenplanung als Bearbeiterin der Braunkohlenpläne Jänschwalde und Cottbus-Nord begonnen. Gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden des Braunkohlenausschusses Dietmar Woidke arbeitete sie daran, die Zerstörung von Horno und Lacoma durchzusetzen. Auch das Umweltministerium ist wieder in der Hand der SPD, es wird mit Landwirtschaft zusammengelegt und von Jörg Vogelsänger geführt.
Die Linke gab ein Ressort ab und wird mit Christian Görke als Finanzminister, Helmuth Markov als Justizminister und Diana Golze als Sozialministerin an der Regierung beteiligt sein. Der bisherige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers scheint dabei nicht nur der Einhaltung der Frauenquote zum Opfer gefallen zu sein. Die Linke versucht offenbar auch, energiepolitisch ihre Hände künftig in Unschuld zu waschen. Koalitionsvertrag und Ministerbesetzung lassen der SPD-Kohlelobby weitgehend freie Hand, die Mitverantwortung des Koalitionspartners könnte künftig weniger wahrnehmbar sein. Der Ministerpräsident soll formal am Mittwoch im Landtag gewählt werden und wird dann das am Sonnabend bekanntgegebene Kabinett ernennen.

6. Vattenfall reichte Rahmenbetriebsplan für Tagebau Nochten 2 ein

Wie die „Lausitzer Rundschau“ berichtet, hat Vattenfall am 27. Oktober bei der sächsischen Bergbehörde einen Rahmenbetriebsplan für das „Abbaugebiet 2“ des Tagebaues Nochten (Sachsen) eingereicht. Damit ist nun nach der landesplanerischen Entscheidung im Braunkohlenplan die erste echte Genehmigung für den Tagebau beantragt. Das Klageverfahren gegen den Braunkohlenplan läuft damit gleichzeitig mit dem Genehmigungsverfahren zum Rahmenbetriebsplan. Bei letzterem ist eine erneute umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung gesetzlich vorgeschrieben, bis zu einer Entscheidung vergehen in der Regel mindestens zwei Jahre.

7. Workshop zu Bergrecht am 15. November

Am Samstag, den 15. November 2014 trifft sich das Netzwerk Initiativgruppen Gesteinsabbau wieder zu einem zentralen Workshop mit Rechtsanwältin Ursula Philipp-Gerlach. Ihre Kanzlei in Frankfurt/ Main ist spezialisiert auf Fragen zum Bergrecht.
Das Treffen beginnt um 12.00 Uhr in 09232 Hartmannsdorf. Diskutiert werden Fragen Fragen wie:

  • Möglichkeiten zum Widerruf von Bergbaubewilligungen (Prüfung von Fristen) mit aktuellen BVerwG Urteilen
  • Gültigkeitsfristen einer Umweltverträglichkeitsprüfung
  • Welche Fristen gelten zwischen Einwendungen im Planfeststellungsverfahren und dem dazugehörenden Erörterungstermin?
  • Wie wird öffentliches Interesse geprüft ?
  • Welche Möglichkeiten haben Bürger, bei Vernachlässigung der Prüfpflichten durch die Bergbehörde einzuschreiten?
  • Wesentliche Änderungen bei der Genehmigung von Hauptbetriebsplänen, gegenüber dem Rahmenbetriebsplan

Für die Planung der Veranstaltung bittet das Netzwerk bis zum 10.11.14 um Anmeldung (per Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) (Quelle: Steinbeisser 2/2014)

8. Kohlekritisches beim Cottbuser Filmfestival

Im Rahmen des diesjährigen Festivals des osteuropäischen Films in Cottbus sind auch wieder Filme aus und über die Lausitz vertreten. Gezeigt wird eine Werkschau der sorbischen Künstlerin Maja Nagel, zu der auch der Film „Blaubeeren-černe jagody“ über die Zerstörungen durch den Tagebau Nochten zählt. (Fr, 7.11. im Gladhouse-Saal) Außerdem wird der Film „Brückenjahre“ aufgeführt, mit dem Peter Benedix die vom Tagebau Jänschwalde-Nord bedrohten Dörfer Atterwasch, Kerkwitz und Grabko begleitet. (Fr, 7.11. Gladhouse 19:30 Uhr und So, 9.11. Weltspiegel 10:00 Uhr) Auch die Jurij Koch-Verfilmung „Rublak – die Legende vom vermessenen Land“ aus dem Jahr 1983 wird erneut gezeigt. (Do, 6.11. Gladhouse 19:30 Uhr). Im Rahmenprogramm des Festivals spielt die Band Berlinska droha, die unter anderem das Lausitzer Klimacamp 2012 mit einem Auftritt unterstützt hatte. (Fr, 7.11. Scandale 22:00 Uhr, zusammen mit Čorna Krušwa)

 

Der Rundbrief als pdf (4 S., 232 kB)