Rundbrief vom 16. November 2014

1. Bundesregierung im Klimaschutz-Dilemma
2. Tagebaue zu verschenken?
3. Selbst „Märkischer Bote“ fordert Plan B für die Lausitz
4. Scoping zu Tagebau Welzow II am 25. November
5. Artikel zur überfälligen Reform des deutschen Bergrechts
6. Vattenfall kürzt Ausgleichszahlungen an Weißwasser
7. Von Windkraft-Gewerbesteuer bleibt künftig mehr an den Anlagenstandorten
8. Eine unglaubliche Geschichte von Francis Nenik

1. Bundesregierung im Klimaschutz-Dilemma

Die Bundesregierung will im Dezember ein Klimaschutz-Paket vorlegen, mit dem das Ziel untersetzt werden soll, Deutschlands Klimagas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % zu senken. An der Einhaltung dieses Zieles hängt die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der internationalen Klimapolitik. Im Weg steht dabei vor allem die zuletzt aufgrund von massivem Stromexport wieder gestiegene Verstromung von Braunkohle. Deshalb gab es Überlegungen von Bundesumweltministerin Hendricks, die ältesten Kohlekraftwerke durch einen Ausstiegsplan vom Netz zu nehmen. Nach Intervention durch Wirtschaftsminister Gabriel wurde dieser Plan offenbar aus den gemeinsamen Papieren der Bundesregierung gestrichen. Gleichzeitig beteuern alle Mitglieder der Bundesregierung, das 40-Prozent-Ziel nicht aufgeben zu wollen – auch Sigmar Gabriel selbst in der heutigen Tagesschau.
Man darf nun gespannt sein, wie die Bundesregierung das Dilemma lösen wird. Denn seit Jahrzehnten besteht in der Klimapolitik der gut begründete Konsens, dass CO2-Einsparungen im Bereich der Stromerzeugung mit dem geringsten Aufwand zu erreichen sind. Wird die Bundesregierung nun bürokratische Monster und irrwitzige Vorgaben im Verkehrs- oder Wärmesektor erfinden, nur weil sie vor der Kohlegewerkschaft IGBCE einknickt? Will sie ihre Klimaziele aufgeben? Oder wird sie in der einen oder anderen Form die Kohlekraftwerke doch noch antasten müssen?
Liebe Leser, in diesen Wochen ist es wichtig, sich in der öffentlichen Debatte zu Wort zu melden und die Nachteile der Braunkohle-Verstromung bewusst zu machen. Neben den diversen Unterschriftensammlungen zählt dabei immer auch der individuelle Leserbrief oder die persönliche E-mail an die Bundestagsabgeordneten der Koalition.

2. Tagebaue zu verschenken?

Der SPIEGEL vom 10. November (S. 14) berichtete über finanzielle Risiken des ostdeutschen Braunkohlegeschäftes. Der Wert, den Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz bei einem Verkauf erbringen würden, "dürfte sich womöglich nicht weit über der Schenkungsgrenze bewegen", zitiert das Magazin einen namentlich nicht genannten hochrangigen SPD-Politiker. Verwiesen wird auf die rechtliche Verpflichtung zur Renaturierung der ausgekohlten Tagebaue sowie die Pensionslasten für die Mitarbeiter.

3. Selbst „Märkischer Bote“ fordert Plan B für die Lausitz

Die Verkaufsabsichten Vattenfalls setzen bemerkenswerte Denkprozesse in Gang. So schrieb der "Märkische Bote" in seiner Kolumne am 8. November zu den Aufgaben der neuen Landesregierung: "Zudem muss heute am Plan B gearbeitet werden, welche Arbeitsplätze der Braunkohleverstromung folgen könnten." Bisher war das Glaubensbekenntnis "Wir brauchen keinen Plan B" fester Bestandteil der Brandenburger Regierungspolitik, die auch im "Märkischen Boten" fast immer den Ton angibt. Die Wochenzeitung wird in Cottbus und Spree-Neiße-Kreis kostenlos in alle Briefkästen verteilt. Sie steht in der Kritik, weil sie monatlich eine komplette Seite nur mit Artikeln aus Sicht der Braunkohlenwirtschaft füllt. Umso schwerer wiegt die Erkenntnis des Kommentators, dass die Zeit der Braunkohlenverstromung auch enden kann.

4. Scoping zu Tagebau Welzow II am 25. November:

Stadt Welzow fordert Gutachten zu Standsicherheit
Laut Berichten der Lausitzer Rundschau vom Sonnabend fordert die Stadt Welzow für den Fall eines Tagebaues Welzow-Süd II Gutachten zur Standsicherheit der Stadt, Schutzmaßnahmen gegen Lärm- und Staubbelastungen sowie einen angemessenen Ersatz für die wegfallende Infrastruktur. Das sind einige Inhalte der Stellungnahme zum Untersuchungsrahmen des Rahmenbetriebsplanverfahrens. Anders als von der Lausitzer Rundschau formuliert, finden Stellungnahme und Anhörung allerdings viel später statt. In einem Scoping-Termin am 25. November wird lediglich diskutiert, welche Untersuchungen in den Antragsunterlagen enthalten sein müssen. Das Bergbauunternehmen muss diese Unterlagen danach erst noch erstellen und den Antrag beim Bergamt einreichen. Ob Vattenfall diesen Antrag überhaupt noch stellen wird, können die derzeitigen Diskussionsprozesse in der schwedischen Politik maßgeblich beeinflussen. Zum Tagebau Nochten 2 ist der Rahmenbetriebsplan-Antrag dagegen bereits eingereicht (vgl. Rundbrief vom 3. November).

5. Artikel zur überfälligen Reform des deutschen Bergrechts

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat in seiner "Umwelt aktuell" einen Artikel zum deutschen Bergrecht veröffentlicht. "Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden - Eine Reform des deutschen Bergrechts ist längst überfällig" Er ist als kostenlose Leseprobe online verfügbar:
http://typo3.oekom.de/fileadmin/zeitschriften/umak_Leseproben/ua2014-11-leseprobe.pdf

6. Vattenfall kürzt Ausgleichszahlungen an Weißwasser

Wie der MDR berichtete, senkt Vattenfall seine Zahlungen an die vom Tagebau Nochten betroffene Stadt Weißwasser massiv ab. Als Ausgleich für Belastungen des Tagebaues sah ein Rahmenvertrag zwischen Stadt und Vattenfall eigentlich die Zahlung einer Million Euro pro Jahr bis 2016 vor. Nun wird Vattenfall seine Zahlungen bereits in diesem Jahr auf unter 800.000 Euro senken. Verbindlich und einklagbar scheinen die Zusagen des Tagebaubetreibers im Rahmenvertrag also offenbar nicht zu sein.
(Quelle: http://www.mdr.de/sachsen/vattenfall-wsw100_zc-f1f179a7_zs-9f2fcd56.html)

7. Von Windkraft-Gewerbesteuer bleibt künftig mehr an den Anlagenstandorten

Kommunen, in denen Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien wie Windräder oder Biogasanlagen stehen, könnten in Zukunft dauerhaft einen höheren Anteil an deren Gewerbesteueraufkommen erhalten. Am 7. November hat der Bundesrat einem entsprechenden Antrag aus Mecklenburg-Vorpommern zugestimmt, der gemeinsam mit Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen eingereicht wurde. Bisher ist die Gewerbesteuer in vielen Fällen am Firmensitz des Betreibers der Anlage angefallen. Bevor die Gesetzesänderung mit der Verabschiedung des sogenannten Zollkodexanpassungsgesetzes in Kraft treten kann, muss der Deutsche Bundestag der vom Bundesrat empfohlenen Änderung zustimmen. (Quelle: Pressemitteilung des brandenburgischen Finanzministeriums, gekürzt)

8. Eine unglaubliche Geschichte von Francis Nenik

Wir wurden auf einen Prosatext des Leipziger Schriftstellers Francis Nenik aufmerksam gemacht. Die Groteske, die sich dem Thema Braunkohletagebau im Allgemeinen und den Abbaggerungen und Umsiedlungen in der Lausitz im Besonderen annimmt, ist im Internet hier zu finden: http://www.the-quandary-novelists.com/stories/unglaubliche-geschichten/Â (Teil 3)
Der Text ist frei zugänglich und steht unter einer offenen Lizenz, kann also ohne Einschränkungen kopiert und weiterverbreitet werden. "Es ist gewiss keine realistische Form, die Francis Nenik benutzt, aber der politische Wahnwitz in Sachsen erfordert von der Kunst ja geradezu die Form der Groteske." wurde uns dazu geschrieben. Auch wenn der Text ausdrücklich vor der Landtagswahl entstand, ist er nach der Wiederwahl des Ministerpräsidenten Tillich noch immer lesenswert. Und erstaunlich leicht könnte man die "sächsische CDU" dieses Textes durch andere langjährige Regierungsparteien anderer Bundesländer ersetzen...

 

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