Rundbrief vom 30. November 2014

1. Entscheidungen der nächsten Tage
2. Vattenfall sucht weiter Käufer
3. Ab Januar öffentliche Auslegung zur Flutung des Tagebaues Cottbus-Nord
4. Abschaltung alter Kohlekraftwerke könnte Strommarkt stabilisieren
5. Wirtschaftsminister lässt Bergbaubetroffene im Regen stehen
6. „Was geht uns die Lausitz an?“ - am 4. Dezember in Berlin
7. In eigener Sache: Straße nach Gründer der Umweltgruppe benannt

1. Entscheidungen der nächsten Tage

In den nächsten Tagen könnte eine Reihe von Weichenstellungen für die Braunkohleverstromung in der Lausitz erfolgen:

  • Am Mittwoch (3.12.) will das Bundeskabinett sein Klimaschutzpaket beschließen. Hier hatte Minister Gabriel (letztlich doch) Maßnahmen angekündigt, die Kohleverstromung zurückdrängen sollen. Dabei soll den Betreibern überlassen bleiben, welche Kraftwerke sie außer Betrieb nehmen oder weniger auslasten. Bis zum Jahr 2020 sollen durch diese Maßnahmen zusätzliche 22 Millionen Tonnen jährliche CO2-Einsparung erreicht werden. Ein entsprechendes Gesetz ist bis Sommer 2015 geplant. Auch nach dem Kabinettsbeschluss werden natürlich noch viele Lobbyisten versuchen, die konkreten Regelungen zu beeinflussen. Dennoch findet am Mittwoch eine wichtige Weichenstellung statt.
  • Am Donnerstag (4.12.) fahren laut Presseberichten die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Woidke und Tillich, gemeinsam nach Schweden um über die Braunkohle zu reden. Die Rede ist von zwei Besuchstagen, sprechen wolle man mit Wirtschaftsminister Mikael Damberg und dem neuen Vattenfall-Chef Magnus Hall.
    Am gleichen Tag tagt der Aufsichtsrat von Vattenfall Europe Mining in Cottbus. Nach Recherchen der Lausitzer Rundschau könnten dort erste Investitionen in den Tagebau Nochten 2 freigegeben werden. Am Abend des 4. Dezember kommen wie jedes Jahr Lausitzer Bergleute und Kraftwerker zur Barbarafeier in der Cottbuser Stadthalle zusammen. Dieser Anlass wird des Öfteren zum Verkünden von Neuigkeiten durch die Konzernspitze genutzt. Das kann die eben erwähnte Investitionsentscheidung sein, aber auch verschiedene Reaktionen auf die Entscheidung der Bundesregierung am Vortag wären denkbar. Im Jahr 2011 wurde beispielsweise auch der Verzicht Vattenfalls auf die CCS-Demonstrationsanlage im Kraftwerk Jänschwalde am Tag der Barbarafeier verkündet.
  • Am Mittwoch, dem 10. Dezember wird die Landesregierung voraussichtlich bekanntgeben, wie sie in den kommenden Monaten mit dem Planverfahren Tagebau Jänschwalde-Nord umgehen wird. Das sagte ein Vertreter der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung (GL) am 27. November im Arbeitskreises Tagebau Jänschwalde des Braunkohlenausschusses. Der neue Koalitionsvertrag stelle den Bezug sowohl zu einem Kraftwerksneubau als auch zur Einhaltung der Klimaschutzziele des Landes dar. „Wir interpretieren das so, dass CCS eingesetzt werden müsste.“ Die Entscheidung zur Notwendigkeit des Tagebaues sei zudem von bundespolitischen Rahmenbedingungen abhängig, die bis Ende 2015 erwartet würden. „Was es nun im Einzelnen für das Verfahren bedeutet, ob wir jetzt bis Ende 2015 noch was machen, ist noch nicht abschließend geklärt.“ Auskunft darüber erwartet man von der Rede der neuen Ministerin Kathrin Schneider in der konstituierenden Sitzung des Braunkohlenausschusses am 10. Dezember in Cottbus. Die Sitzung ist öffentlich und beginnt um 9:00 Uhr in den Messehallen. (Vorparkstraße 3)

Natürlich stehen alle diese Termine und Entscheidungen in einem engen Zusammenhang. Wird dabei die Chance verpasst, einen allmählichen Umbau einzuleiten, erfolgt der Kohleausstieg später umso plötzlicher und schmerzhafter für die Region Lausitz.

2. Vattenfall sucht weiter Käufer

Wie mehrere Medien berichteten, hat Vattenfall die US-Bank Citigroup damit beauftragt, Käufer für die ostdeutsche Braunkohlesparte des Unternehmens zu finden. Das bekannt gewordene Interesse des tschechischen Unternehmens EPH scheint daher noch keine Vorentscheidung zu sein. Insbesondere gibt es bisher keine Aussage darüber, ob EPH bereit ist, den von Vattenfall angestrebten Preis von 3 Milliarden Euro zu zahlen. Nun wird öffentlich auch über Bieterkonsortien aus Asien spekuliert. Nach wie vor ist allerdings nicht sicher, ob überhaupt verkauft wird. Das ist zwar ganz offensichtlich die Wunschvariante der Konzernspitze. Verkaufen darf Vattenfall aber nur, wenn die schwedische rot-grüne Regierungskoalition dem zustimmt. Deren Diskussionsprozess ist noch im Gange, insbesondere die schwedischen Grünen bestätigten erst kürzlich, dass sie andere Vorstellungen haben. Unterdessen hat die Gruppierung „die nächste Generation“, eine Fraktion der Spremberger Stadtverordnetenversammlung, eine Unterschriftensammlung gestartet. Sie fordert eine Übernahme der Tagebaue und Kraftwerke durch die Länder Brandenburg und Sachsen. Ob die allerdings drei Milliarden übrig hätten, darf bezweifelt werden.
Zur Idee der Übernahme durch die Länder veröffentlichte die Zeitung „Neues Deutschland“ bereits am 12. November einen Kommentar, der diesen Gedanken als „blauäugig“ kritisiert:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/952084.undemokratische-braunkohle.html?sstr=Vattenfall

3. Ab Januar öffentliche Auslegung zur Flutung des Tagebaues Cottbus-Nord

Wie das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe am 27. November gegenüber einem Arbeitskreis des Braunkohlenausschusses ankündigte, werden die Unterlagen zur Flutung des sogenannten „Cottbuser Ostsees“ in der Zeit vom 12. Januar bis 11. Februar öffentlich ausgelegt. Sie sollen in der 49. Kalenderwoche von Vattenfall an das Amt übergeben werden. Die Unterlagen werden auch im Internet bekanntgemacht, die Einwendungsfrist läuft zwei Wochen nach Ende der Auslegung ab. Anwohner befürchten Vernässungen vor allem in Dorf Maust, wo am vergangenen Dienstag etwa 60 Menschen an einer öffentlichen Mitgliederversammlung der Bürgerinitiative „Achtung Ostsee“ teilnahmen. Ebenso werden Sulfat- und Eiseneinträge in die Spree befürchtet, zwischen dem Auslauf des Sees und dem Spreewald befände sich keine Barriere mehr, die Eisenocker zurückhalten könnte. Beiden Problemen gemeinsam ist die Befürchtung, dass Vattenfall versuchen könnte, die Kosten für Langzeitfolgen des Tagebaues auf Land und Kommunen abzuwälzen.

4. Abschaltung alter Kohlekraftwerke könnte Strommarkt stabilisieren

Die Abschaltung alter und CO2-intensiver Kohlekraftwerke in Deutschland könnte einen substantiellen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung leisten. Das bekräftigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und der European Climate Foundation. Den Szenariorechnungen zufolge könnten im kommenden Jahr rund 23 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger ausgestoßen werden, wenn Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von drei Gigawatt und Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von sechs Gigawatt vom Netz genommen würden. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des DIW Berlin: „Der Stromsektor sollte einen stärkeren Beitrag zum Erreichen der kurz- und mittelfristigen Klimaziele leisten, indem CO2-intensive, ineffiziente Kohlekraftwerke durch effizientere Gaskraftwerke ersetzt werden. Weil dem Klima und dem Strommarkt gleichzeitig geholfen wäre, winkt sogar eine doppelte Dividende.“ Der Börsenstrompreis würde zwar moderat steigen, dies verbessere jedoch die Wirtschaftlichkeit der für die Energiewende so wichtigen Gaskraftwerke, so Kemfert. „Insgesamt sind Preissteigerungen für private Stromkunden kaum zu erwarten.“ (Quelle: Pressemitteilung vom 19.11.2014, gekürzt)

5. Wirtschaftsminister lässt Bergbaubetroffene im Regen stehen

Der neue brandenburgische Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) machte unmissverständlich klar, dass die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Bergschäden keine Priorität für die neue rot-rote Landesregierung habe. In einer Antwort auf eine mündliche Anfrage der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Heide Schinowsky schreibt Gerber: „Meine erste Priorität ist die Sicherung der Zukunft der Braunkohle in der Lausitz“. Die Betroffenen von Bergbauschäden lässt der Minister derweil im Regen stehen: Er wolle sich „demnächst“ zur Schiedsstelle äußern, heißt es lapidar in dem Schreiben. Das "Netzwerk Bergbaugeschädigter e. V. der Lausitzer Braunkohleregion" übt scharfe Kritik und bezeichnet das Verhalten des Ministers als „Verschleppungstaktik“. Der Interessenverband vermutet, dass die Schäden durch den Braunkohleabbau nicht zur Sprache kommen sollen, um potentielle Käufer der Braunkohlesparte von Vattenfall nicht zu verschrecken. Bei Vattenfall gingen seit dem Jahr 2000 rund 4000 Schadensanträge ein, von denen nur etwa die Hälfte anerkannt wurde.
„Es ist eine bodenlose Frechheit, wie wir Betroffene von Rot-Rot in Potsdam behandelt werden“, sagte die Vorsitzende des Netzwerkes Petra Franz aus Neupetershain (Oberspreewald-Lausitz). Ursprünglich wollte die Landesregierung nach der parlamentarischen Sommerpause darüber informieren, wann die Stelle ihre Tätigkeit aufnehmen wird.
Nach massivem Protest aus der Lausitz hatte das Brandenburger Landesparlament im Juni 2013 der Einrichtung einer Schiedsstelle für Bergbaubetroffene zugestimmt. In der 92. Plenarsitzung am 3. April 2014 hat zudem der damalige Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten Ralf Christoffers die Einrichtung der Schlichtungsstelle angekündigt. (Quelle: Pressemitteilung 21.11.2014, gekürzt)

6. „Was geht uns die Lausitz an?“ - am 4. Dezember in Berlin

Das Bündnis Kohleausstieg Berlin lädt für den 4. Dezember zu einem Infoabend mit Glühwein-Plausch. Die Veranstaltung beginnt um 19:00 Uhr im Trude Ruth & Goldammer, Flughafenstraße 38, 12053 Berlin. Als Gäste sind dabei: Christiane Hildebrandt (Lausitzer Klimacamp), Caroline Möller (Reiner Lemoine Institut), Petra Rösch (Proschim, angefragt), Bündnis Strukturwandel jetzt (angefragt).

7. In eigener Sache: Straße nach Gründer der Umweltgruppe benannt

Seit Anfang November gibt es in Cottbus die Peter-Model-Straße. Damit wird der Mann geehrt, auf dessen Initiative sich im Jahr 1987 die Umweltgruppe Cottbus gründete. Neben der Umwelt- und Bildungsarbeit organisierte die Gruppe die Beobachtung der Kommunalwahl im Mai 1989 und deckte die Fälschung der Ergebnisse in Cottbus auf. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR zählte die Umweltgruppe Cottbus zu den „gefährlichsten“ oppositionellen Kräften im Bezirk. Peter Model verstarb bereits im Jahr 1993.

 

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