LEAGs „GigaWattFactory“ – eine erste Analyse

Die LEAG will auf ihren Tagebauflächen „das größte Cluster Erneuerbarer Energien in Deutschland“ schaffen und verkündete das zwei Tage bevor sie zwei schon eingemottete Braunkohleblöcke wieder anfuhr. Ein Schelm, wer da an ein Ablenkungsmanöver denkt. Doch vor allem dürfte es darum gehen, die Politik von der Abschöpfung von Übergewinnen abzuhalten, indem die LEAG beteuert, was ganz tolles damit zu tun. Zum Teil will das Unternehmen auch direkt mit Steuergeld bauen. Hier eine erste Analyse.

Kein Stück mehr Abschied von der Braunkohle

Die Medieninszenierung ist offensichtlich gelungen. Kommentatoren sehen einen bahnbrechenden Meilenstein oder einen Abschied des Unternehmens von der Kohle. Fakt ist dagegen, die LEAG will keinen Quadratmeter Landschaft weniger abbaggern, keine Tonne Kohle weniger verbrennen als bisher. Nichts ändert sich daran, dass das Unternehmen am Betrieb der Bagger bis 2038 festhält, dafür sogar 1,75 Milliarden Euro Entschädigung kassieren und sogar mehr Flächen abbaggern will als für den selbst verkündeten Kohlebedarf nötig wären.

Schon seit Jahren hat das Unternehmen intern alles geprüft, woraus sich neben und nach der Kohleförderung noch Geld machen lässt. Im Fokus war dabei von Anfang an der riesige Flächenbesitz.

Nüchtern betrachtet beschränkt sich die Überraschung also auf die verkündeten Hektar- und Megawattzahlen. Die Inszenierung des Ganzen als „GigaWattFactory“ wurde nun zeitlich so platziert, dass sie wirksam vom Wiederanfahren der Blöcke E und F in Jänschwalde und der staatlichen Beihilfe dafür ablenkte. Anders als bei RWE ist bei der LEAG kein Ausgleich für die kurzfristig steigende Kohleverstromung durch eine spätere Verringerung geplant.

Geld aus Übergewinnen...

Der größere Teil komme aus dem Stromgeschäft und „Im Augenblick profitieren wir dabei von den hohen Strompreisen“. Das scheint der Kern der Sache zu sein: Die LEAG versucht offenbar eine Abschöpfung ihrer Übergewinne durch die Bundespolitik abzuwenden, indem sie beteuert, mit dem Geld doch was gutes vorzuhaben. So sollen die vom Preisanstieg gebeutelten Stromkunden das Imperium des Milliardärs Kretinsky vergrößern, der natürlich mal wieder mit keiner Silbe erwähnt wird. Ohne die Übergewinne können zwar genauso gut Erneuerbare auf der Kippe installiert werden, es müssten aber viel mehr andere Investoren einsteigen, um das Geld zusammenzubringen. Also wird lieber so getan, als ob es nur vorangeht, wenn alles Geld bei der LEAG bleibt. Um die Politik zu beeindrucken muss es natürlich Giga klingen, egal ob alle Zahlen am Ende auch realistisch sind.

Erst am 14. September hatte die LEAG in einer Pressemitteilung gegen die von der EU-Kommission diskutierte Gewinnabschöpfung als „massiven Eingriff in die Investitionsfähigkeit“ gewettert. „Investitionsfähigkeit“ ist allerdings ein Argument, das jeder Konzern bei jeder Gewinnhöhe gegen jede Steuer oder Abgabe anbringen könnte.

Die in der Energiekrise explodierten Preise an der Strombörse liegen weit über den Kosten der LEAG. Ab 2023 würden ihr deshalb riesige Übergewinne zufallen. Bis Ende diesen Jahres muss sie Übergewinne abführen, weil sie im Frühjahr nur mit einem Rekordkredit der KfW ihre Liquididät sichern konnte (wir berichteten) Die große Übergewinnwelle für Stromkonzerne wird aber ohnehin erst 2023 rollen, weil der Anteil alter zu geringeren Preisen geschlossenen Stromlieferverträge erst mit der Zeit abnimmt. (ausführlich dazu bei den Klimareportern)

Zugegebenermaßen ist es besser, wenn das Geld erstmal in der Lausitz investiert wird, als wenn es gleich nach Prag fließt. Aber es ist nur eine neue Variante des alten Spiels mit den freiwilligen Selbstverpflichtungen, die verbindliche Regelungen verhindern sollen und im Zweifel später nie kontrolliert und durchgesetzt werden können.

… und Geld vom Staat

„Ein Teil der Finanzierung werden die 1,75 Milliarden Euro Entschädigungszahlungen aufgrund des vorzeitigen Kohleausstiegs sein, über deren Freigabe noch in Brüssel entschieden werden muss.“ räumt die LEAG ein, wenn man sich durch die „Fragen und Antworten“ zum Projekt klickt. Mit diesem Geld sollen Rekultivierungskosten gesichert werden, sie werden in der Praxis aber investiert. Die davon gekauften Unternehmen oder Anlagen bleiben nach Zahlung der Rekultivierung Teil des EPH-Firmenimperiums.

Als Teil der GigaWattFactory weist die LEAG-Homepage zudem mehrere Projekte aus, die direkt oder indirekt weitere Staatsgelder erhalten: So das aus Strukturmitteln geförderte Projekt zur Wasserstoff-Mobilität gemeinsam mit Cottbusverkehr, die durch das Land Brandenburg geförderte BigBattery und das Innovations- und Speicherkraftwerk in Jänschwalde, das mindestens auf eine vom Staat noch zu bauende Gasleitung angewiesen ist.

Große Zahlen, noch keine konkreten neuen Projekte

Verkündet wurden von der LEAG drei neue Ziele: 7 Gigawatt bis 2030, 10 Milliarden Euro Investition und „sehr grob geschätzt“ mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis 2030, von denen ein Teil aber jetzt schon da sein dürfte. Dazu der Name „GigawattFactory“, der im Windschatten von Elon Musk für bundesweite Aufmerksamkeit sorgen soll.

Auf der Website des Unternehmens finden sich unter diesem Label nun alle in den zurückliegenden Jahren angekündigten Erneuerbaren-, Speicher- oder Kraftwerksprojekte. Wo und wie der Rest der 7 Gigawatt entstehen soll, ist aber noch geheim. Die Frage, wie wahrscheinlich die Umsetzung von 7 GigaWatt bis 2030 ist, wird nur mit der Aussage beantwortet, man habe „das sehr intensiv geprüft und vorbereitet“.

Die Lausitzer Rundschau ergänzt die LEAG-Pressemitteilung um die Angabe, dass 12.000 Hektar dafür ausgesucht seien, die zu 70 % mit Solar und 30 % Windkraftanlagen bebaut werden sollen. Bis 2038 könne man dann auf 14 Gigawatt kommen. Hier wurden einfach 1000 Megawatt pro Jahr angesetzt, was nicht nach besonders detaillierter Planung klingt, wohl aber nach zwei Dritteln der gesamten LEAG-Bergbauflächen, die das Unternehmen mit 33.000 Hektar angibt.

Nur noch 3 % Tagebaufläche für andere Nutzungen?

Die LEAG kündigt laut LR an, die „Vereinbarungen zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften würden bei allen Fotovoltaik- und Windkraftplanungen vollständig eingehalten.“ Wenn das Unternehmen auf seinen 33.000 Hektar nach wie vor ca. 8.000 ha Seen anlegen will und die 24.000 Hektar Wind- und Solarkraftwerke bis 2038 an Land entstehen (was aus Kostengründen erst einmal naheliegend ist), blieben noch ganze 3 Prozent der Bergbaufolgelandschaft für andere Nutzungen übrig. Dabei haben die jeweiligen Braunkohlenpläne die Landflächen in Landwirtschaft, Wald und Naturschutzflächen eingeteilt, wie soll es da keine Einflüsse geben? Vermutlich durch folgende Spitzfindigkeit: Braunkohlenpläne regeln gar keine Wind- und Solarflächen, die werden später durch die Bauleitplanung der Kommunen in die Wald- und Landwirtschaftsflächen gesetzt und widersprechen dadurch pro forma nicht dem Braunkohlenplan. (siehe Antwort der Landesregierung Brandenburg, Drucksache 7/6054) Beim angekündigten Flächenumfang dürfte das künftig dann auch die Naturschutzvorrangflächen betreffen.

Um die Kommunen die Last der Planverfahren abzunehmen und diese zu beschleunigen, plant Bundesministerin Klara Geywitz nun, Tagebauflächen im Baugesetzbuch einen Vorrang einzuräumen, durch den die Länder die Flächen per Verordnung für erneuerbare Energien öffnen und selbst das Planungsverfahren übernehmen können. Das berichtete die Zeit nur einen Tag nach der LEAG-Ankündigung. Die Drähte scheinen also sehr kurz zu sein. Das in der Braunkohlenplanung bisher geltende Leitbild einer „vielfältig nutzbaren Bergbaufolgelandschaft“ könnte bald Geschichte sein.

Einmal Arschkarte, immer Arschkarte?

Dabei stellt sich die Bundesministerin aus Potsdam vor, dass Tagebaue ganz „ohne die üblichen Nutzungskonflikte“ verplant werden können. Doch viele Tagebauranddörfer mussten für Jahrzehnte ohne ihr gewachsenes Umland klarkommen. Rekultivierte Wälder und Felder könnten ihnen zumindest ein öffentlich zugängliches Umland zurückgegeben, auf das sich viele dort sicher freuen. Riesige Solarparks dürften dagegen eingezäunt und auch sonst nicht unbedingt einladend sein. Der Flächenbesitz der LEAG geht dabei in vielen Fällen noch auf DDR-Zeiten zurück, als das Braunkohlenkombinat die Flächen billig aufkaufte und eine Weigerung nicht etwa den Preis hochgetrieben, sondern die Staatssicherheit auf den Plan gerufen hätte. Auch in den 1990ern waren Wald und Feld noch deutlich billiger als heute und anstelle der Staatssicherheit sorgte das Druckmittel der bergrechtlichen Grundabtretung für „freiwillige“ Verkäufe. Wer damals sein Opfer für die Energieversorgung brachte, soll es nun einfach weiter tun. Manche dieser Dörfer liegen auf schmalen Landstreifen zwischen zwei Tagebauen oder zwischen dem Tagebau Jänschwalde und dem Grenzfluss Neiße, natürlich ohne eigene Brücke zur polnischen Seite. Die kommunale Planungshoheit ist den Anwohner*innen dabei durch Eingemeindung in der Regel längst verlorengegangen. Wer abgehängte Orte sucht, der wird sie hier finden.

Naturschutzzusagen stehen in Frage

Alle Tagebauzulassungen wurden bisher damit begründet, dass der naturschutzrechtliche Ausgleich für die Abbaggerung grundsätzlich mit der Rekultivierung der Abbaufläche erfolgt. Weil dazwischen oft Jahrzehnte liegen, war und ist das umstritten genug. Fast flächendeckende Solarparks stellen das Prinzip dann endgültig in Frage. Zwar wächst im sprichwörtlichen Schatten von Windrädern und Solarpaneelen auch einiges, bestimmte Biotope und Nutzungen lassen sich dort gut ansiedeln und erhalten. Umso düsterer dürfte es aber für andere aussehen, für die bisher die Kippenlandschaften störungsarme Räume und Biotopverbund sichern sollten.

Die Umstrukturierung zum Projekt?

Wie die LEAG wenige Tage nach der GigaWatt-Verkündigung mitteilte, wurden am 1. Oktober „die Ressorts Bergbau und Kraftwerke zu einem gemeinsamen Ressort „Produktion“ zusammengeführt“. Es wird von Philipp Nellessen geleitet, der erst im vergangenen Jahr die Leitung des Bergbaus übernommen hatte. Dabei bleibt unerwähnt, dass es sich nicht nur um „Ressorts“, sondern um zwei eigene Aktiengesellschaften handelte, die Lausitzer Energie Bergbau AG (LE-B) und die Lausitzer Energie Kraftwerke AG (LE-K), die beide wiederum von einer Lausitz Energie Verwaltungs GmbH gesteuert wurden. Wie das Firmengeflecht nach der letzten Umstrukturierung wirklich aussieht, ist der Pressemitteilung nicht zu entnehmen.

Ein erstes Fazit

Die LEAG will seit ihrem Bestehen mit jedem Quadratmeter Flächeneigentum auch nach der Kohle maximal Geld verdienen. Jetzt will sie das Zeitfenster der aktuellen Energiekrise nutzen, um sich von der Politik alle Hindernisse aus dem Weg räumen zu lassen. Werden auch andere Belange weiter ernstgenommen, wird die GigaWattFactory wohl nicht so groß wie angekündigt. Die Politik sollte sich von der Giga-Show nicht blenden lassen. Auch weiterhin gehören Übergewinne abgeschöpft, CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken verringert, Tagebaufolgeschäden vollständig dem Verursacher auferlegt, Planungen ergebnisoffen unter Beteiligung aller Betroffene geführt, Dörfer lebenswert erhalten und Eingriffe in Natur und Landschaft ausgeglichen. Dann kann es in der Lausitz vermutlich nicht ganz so giga, aber dafür gut werden.