Verhinderter Tagebau Jänschwalde-Nord

(Brandenburg:) Der Tagebau Jänschwalde-Nord bedrohte die Dörfer Grabko, Kerkwitz und Atterwasch mit der Umsiedlung und hätte die gesamte Region Guben belastet. Auch ohne Investor für das geplante Kraftwerk spekulierte die Landesregierung Brandenburg über Jahre weiter auf diesen Tagebau. Erst nach dem Verzicht des LEAG-Konzernes auf Jänschwalde-Nord am 30. März 2017 wurde das Planverfahren im Sommer 2017 eingestellt.

Übersichtskarte
(rot: geplanter neuer Tagebau, braun: genehmigter Tagebau Jänschwalde)

Menschen und Dörfer

Die Orte Kerkwitz, Grabko und Atterwasch mit zusammen ca. 900 Einwohnern wären von der Umsiedlung betroffen. Taubendorf und Groß Gastrose müssten auf einem schmalen Streifen zwischen Tagebauloch und dem Grenzfluss Neisse leben. Hierhin drohen auch Bahn und Bundesstraße verlegt zu werden, auf polnischer Seite droht in Sichtweite der Tagebau Gubin. Doch auch die Stadt Guben (insb. Ortsteile Deulowitz, Kaltenborn, Schlagsdorf) sowie Bärenklau, Schenkendöbern und Jänschwalde-Ost würden beeinträchtigt.

Die Begründung: „klimafreundliche Kohle“

160919 energietagIm Frühjahr 2007 sorgte die Enthüllung einer Studie des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums für einen Aufschrei in der Region, weil sie sieben Kohlefelder und 23 Dörfer zum Abbau empfahl. Die rot-schwarze Regierung unter Matthias Platzeck beeilte sich, daraus drei Gruben auszuwählen und gab im September gemeinsam mit dem Kohlekonzern Vattenfall die Tagebauvorhaben Jänschwalde-Nord, Bagenz-Ost und Spremberg-Ost bekannt. Zu diesem Zeitpunkt waren Vattenfall und SPD Brandenburg davon überzeugt, dass im Jahr 2020 das erste kommerzielle Kraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb gehen würde. Es sollte das alte Kraftwerk Jänschwalde ersetzen und mit der Kohle aus Jänschwalde-Nord versorgt werden, danach aus einem weiteren Tagebau. Doch schon die bis 2015 geplante Vorstufe dazu wurde nie gebaut: ein Demonstationskraftwerk, dessen Abgase bei Beeskow oder Neutrebbin unter die Erde verpresst werden sollten. Nach bundesweitem Widerstand gegen CCS (carbon capture and storage) sagte Vattenfall das Demo-Kraftwerk im Dezember 2011 ab. Seit diesem Zeitpunkt war klar, das es praktisch keinen Investor gibt, der in ein neues Kraftwerk Jänschwalde investieren wird. Die inzwischen rot-rote Landesregierung stoppte das Braunkohlenplanverfahren jedoch nicht und benutzte die betroffenen Menschen noch fünf Jahre lang als Spekulationsobjekt für den Konzern, der sich erst im März 2017 (als jetzige LEAG) offiziell vom Vorhaben Jänschwalde-Nord verabschiedete.

Zehn Jahre Widerstand

kette3 huschga 5695In den zehn Jahren der Bedrohung durch Jänschwalde-Nord stand die Region Guben fast geschlossen gegen das Projekt. Die Gemeindevertreter von Schenkendöbern und die Gubener Stadtverordneten fassten parteiübergreifend klare Beschlüsse gegen den Tagebau. Von 2008 bis 2017 trafen sich die Menschen jeweils am ersten Sonntag des Jahres zum Sternmarsch gegen neue Tagebaue. Züge aus Grabko, Kerkwitz, Atterwasch und Taubendorf/Gastrose vereinten sich auf einer Wiese (dem „alten Schafstall“) nördlich von Kerkwitz. Ab 2011 wurde zudem jährlich der Reformationstag in und an der Atterwascher Kirche als Fest des Protestes begangen. Auf beiden Veranstaltungen traten prominente Gastredner und Kohle- oder CCS-Betroffene aus anderen Regionen auf. Im Sommer 2014 bildeten Menschen aus ganz Deutschland eine Menschenkette von Kerkwitz bis ins polnische Grabice. Zahlreiche weitere Aktionen, Protestbriefe, Stellungnahmen bis hin zu Filmdokumentationen gehörten zum Widerstand gegen Jänschwalde-Nord. Als im Jahr 2017 der Europäische Stationenweg zum Reformationsjubiläum im nun geretteten Kerkwitz Station machte, wurde eine Ausstellung präsentiert, die diese zehn Jahre auf zehn Tafeln zusammenfasst.

Natur

Drei als FFH-Gebiet „Pastlingsee Ergänzung“ ausgewiesene Moorgebiete Grabkoer Seewiesen, Tofteich (Schmuckatz) und Maschnetzenlauch (Mochnatz) würden abgebaggert. Mit dem Deulowitzer See verlöre die Stadt Guben eines ihrer beliebtesten Naherholungsziele. Die Wasserschutzgebiete Atterwasch und Taubendorf würden ebenfalls zerstört. Das Tagebaufeld grenzt direkt an die FFH-Gebiete „Feuchtwiesen Atterwasch“ und Pastlingsee sowie an den Naturpark „Schlaubetal“ und würde diese massiv beeinträchtigen.

Wirtschaft und Kultur

atterwasch05 kirche 1500pxEine große Anzahl Gewerbebetriebe des Gubener Raums ist in den drei direkt betroffenen Ortschaften ansässig. Die Kirche in Atterwasch (Baujahr 1294) ist eine der ältesten erhaltenen in der Niederlausitz, die Kerkwitzer Kirche war der erste Kirchenneubau in der DDR und beging Anfang Juni 2012 ihr 60. Jubiläum. In beiden Dörfer existieren zudem Kriegsgräberstätten.

Verkehr

Die heutige Bahnlinie Cottbus-Guben müsste verlegt werden, ebenso die erst vor wenigen Jahren wegen des Tagebaus Jänschwalde umverlegte Bundesstraße 97. Beides hätte zusätzliche Auswirkungen auf Natur und Landschaft bzw. Anwohner am Ort der neuen Trasse.

Plan- und Genehmigungsverfahren

Die Absicht zum Aufschluss dieses Tagebaues wurde am 18.09.2007 von Landesregierung und Vattenfall in einer gemeinsamen Pressekonferenz angekündigt. Damit brach die Landesregierung ihr seit 1993 gegebenes Wort, dass der Kohleabbau südlich von Taubendorf enden soll. Vattenfall reichte Ende 2008 erste Unterlagen für ein Braunkohleplanverfahrens ein. Ein Scoping-Termin fand Ende Mai 2011 statt. Die Stellungnahmen wurden von der Planungsbehörde fast ein Jahr lang ausgewertet, bevor sie einen Untersuchungsrahmen für die Umweltprüfung festlegte. Ein Planentwurf wurde nie vorgelegt und damit auch kein Beteiligungsverfahren eingeleitet. Den Braunkohlenplan als Rechtsverordnung der Landesregierung zu erlassen war ursprünglich für 2014 geplant. Später wurde es auf Anfang 2015 verschoben, danach weigerte sich die Planungsbehörde überhaupt noch einen Zeitplan zu nennen. Eine bergrechtliche Genehmigung (Rahmenbetriebsplan) wurde vom Unternehmen nie beantragt.
Erst im September 2017 teilte die Gemeinsame Landesplanungsabteilung dem Bergbaukonzern und der betroffenen Gemeinde Schenkendöbern in einem Brief mit, dass sie das Planverfahren eingestellt hat. Eine planerische Festlegung, dass dieser Tagebau nicht kommen darf, fehlt bis heute. Sie wäre in einem Gesetz oder im Berlin-Brandenburger Landesentwicklungsplan möglich.