Rundbrief vom 11. April 2018

1. Bürger fordern früheres Ende der Braunkohlegrube Nochten

2. Dreimal Protest im Taubendorfer Wald: Lesung – Gottesdienst – Konzert

3. BTU-Studie zu Kohlekraftwerken: gelesen und für merkwürdig befunden

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1. Bürger fordern früheres Ende der Braunkohlegrube Nochten

Das Lausitzer Bündnis „Strukturwandel jetzt“ hat am Sonntag (8. April) mit einer symbolischen Roten Linie eine Verkleinerung des Braunkohletagebaues Nochten (Sachsen) gefordert. Die Grube müsse einen Mindestabstand von 400 Metern zu den angrenzenden Dörfern einhalten. Zugleich fordert es eine Beteiligung Tagebau-Betroffener an der Kohlekommission der Bundesregierung.

„Um dieZiele des Klimaschutzes zu erreichen, müssen die Uralt-Kraftwerksblöcke in Jänschwalde und Boxberg in wenigen Jahren vom Netz sein. Das heißt auch, dass die bisher genehmigten Tagebaue nicht mehr voll ausgekohlt werden dürfen. Genau hier in Rohne muss rechtzeitig unnötiger Schaden durch den Tagebau verhindert werden.“ sagt René Schuster vom Umweltverband GRÜNE LIGA.

„In den nächsten Wochen wird die Bundesregierung wahrscheinlich eine Kommission berufen, die über den Kohleausstieg beraten soll. Wenn dort als Vertreter der Lausitz nur bisherige Profiteure des Braunkohleabbaus mitreden, entsteht ein verzerrtes Bild. Auch wir Betroffenen und Kritiker der Tagebaue sind Lausitzer und sollten in der Kommission vertreten sein!“ fordert Adrian Rinnert vom Bündnis „Strukturwandel jetzt“.

„Die evangelischen Kirchen in Deutschland werden alles in ihrer Macht stehende tun, um eine Reduzierung ihres eigenen CO2-Austoßes um 40 Prozent bis 2020 zu erreichen. Und so erwarte ich auch von der Bundesregierung, dass sie alles in ihrer Macht stehende tut, um das Klimaschutzziel 2020 doch noch zu erreichen.“ sagt Hans-Georg Baaske, Leiter des Umweltbüros der Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der als Gastredner zu den Teilnehmern sprach.

Das Bündnis „Strukturwandel jetzt“ fordert im Verfahren zur Überarbeitung des Braunkohlenplanes Tagebau Nochten eine Verkleinerung des Tagebaufeldes. Stoppt der Tagebau nicht südöstlich der Mühlroser Straße, lägen die Orte Rohne und Mulkwitz nur wenige Meter von der Grubenkante entfernt.

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An den Kraftwerksstandorten Jänschwalde und Boxberg sind noch acht Kraftwerksblöcke in Betrieb, die in der DDR gebaut und in den 1990er Jahren für einen Betrieb bis 2020 nachgerüstet wurden. Nur für zwei dieser Blöcke wurde der Zeitpunkt der Außerbetriebnahme bereits entschieden. Die sechs weiteren (vier Blöcke in Jänschwalde, zwei in Boxberg) machen mit 3.000 Megawatt Leistung und jährlich ca. 24 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß die Erreichung deutscher und internationaler Klimaschutzziele unmöglich. Die Kraftwerksblöcke aus DDR-Zeiten sind zugleich für etwa die Hälfte des Kohleverbrauchs aus Lausitzer Tagebauen verantwortlich. (Fotos: C. Hoffmann, F. Newiak)

2. Dreimal Protest im Taubendorfer Wald: Lesung – Gottesdienst – Konzert

Gemeinsam mit Anwohnern des Tagebaues Jänschwalde protestiert der Umweltverband GRÜNE LIGA in diesem Jahr mit regelmäßigen Veranstaltungen gegen die Tagebaufolgen. Eine Lesung und ein klassisches Konzert werden direkt auf dem von Enteignung für den Tagebau bedrohten privaten Waldgrundstück stattfinden.

  • udo tiffertAm Sonntag, 29. April um 15 Uhr liest Udo Tiffert seine Lausitz-Geschichten und mehr, umrahmt von Gundermann-Liedern. Eine Radtour zum Veranstaltungsort beginnt um 13:45 Uhr am Bahnhaltepunkt Kerkwitz. Außerdem gibt es ab 14:15 Uhr ein Shuttle von Taubendorf (Mahnglocke) zum Veranstaltungsort. Der ursprünglich geplante Termin für die Lesung war im Herbst wegen Sturm „Xavier“ ausgefallen.
  • Am Sonntag, dem 24. Juni veranstaltet die Kirchengemeinde Region Guben in Taubendorf einen Gottesdienst zur Erhaltung der Schöpfung. Er findet an der Mahnglocke statt, die 2013 als Mahnung gegen den Tagebau von den Taubendorfern errichtet wurde.
  • Am Sonntag, 2. September um 15 Uhr findet vor Ort im Wald ein klassisches Konzert mit den Cottbuser Musikern Nikola Götzinger (Cello) und Markus Götzinger (Oboe) statt.

Die Veranstaltungen sind für alle interessierte offen und kostenlos. Anfragen und Informationen über www.kein-tagebau.de.

Das geplante Heranrücken des Tagebaues bis direkt vor Taubendorf würde die bestehenden Probleme der Grundwasserabsenkung im Raum Guben drastisch weiter verschärfen und die Lebensqualität in Taubendorf zerstören. Deshalb fordern Anwohner, Grundeigentümer, Umweltverbände und die Gemeinde Schenkendöbern eine Verkleinerung des Abbaugebietes. Auch die Einhaltung nationaler und internationaler Klimaschutzziele wird nur möglich sein, wenn nicht nur neue Abbaugebiete vermieden werden, sondern muss auch in den genehmigten Tagebauen Kohle im Boden bleiben.

Das etwa 3 Hektar große Waldstück der Familie Gebke liegt im Vorfeld des Tagebaus Jänschwalde. Noch stellt der Wald zwischen Tagebau und Dorf einen natürlichen Staub- und Lärmschutz für die Menschen in Taubendorf dar. Die Eigentümer wollen den Wald nicht an die LEAG veräußern. Diese droht nun mit einem Enteignungsantrag („bergrechtliche Grundabtretung“).

Mit einer roten Linie verteidigen Grundeigentümer, Anwohner und Umweltaktivisten bereits im Oktober 2017 das Waldgrundstück bei Taubendorf symbolisch gegen den Tagebau.

3. BTU-Studie zu Kohlekraftwerken: gelesen und für merkwürdig befunden.

Große Worte bemühte das Wirtschaftsministerium Brandenburg bei der Veröffentlichung einer Studie der BTU Cottbus:

„Die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke liefern heute und mittelfristig einen unverzichtbaren Beitrag für eine stabile Stromversorgung in Deutschland.“

Das sei das zentrale Ergebnis der Kurzstudie „Betrachtungen zur Mindesterzeugung von Braukohlenkraftwerken im Kontext des Netzbetriebes“. In der Studie sucht man dann allerdings vergeblich nach substanziellen oder neuen Beiträge zur energiepolitischen Debatte. Dass eine erneuerbare Vollversorgung bis zum Jahr 2023 unrealistisch ist, sieht praktisch jeder so – aber viel mehr ist der Studie beim besten Willen nicht zu entnehmen. Hier eine kurze Zusammenstellung von Auffälligkeiten:

Dass hier Grundwissen zu Systemdienstleistungen im Stromnetz kurz zusammengefasst wird, mag für Studenten und viele Politiker vielleicht lehrreich sein. Was darüber hinaus die konkrete Aufgaben- oder Fragestellung der Studie war, das bleibt trotz eines Kapitels mit der Überschrift „Motivation“ völlig im Dunkeln.

„Zielstellung der Kurzstudie ist es, einen technischen Beitrag zur Diskussion in Deutschland über die Thematik der konventionellen Mindesterzeugung in der Perspektive bis zum Jahr 2023 zu leisten.“

Niemand hat die Abschaltung aller Kohle- und Gaskraftwerke bis 2023 vorgeschlagen. Eine aktuelle Diskussion gibt es nur darüber, wir viele Kohlekraftwerke bis zu welchem Zeitpunkt abgeschaltet werden können. Genau dazu liefert die Studie aber keinen Beitrag, weil sie auf Seite 10 zugeben muss:

„Aufgrund des begrenzten Umfangs der Kurzstudie können ebenfalls keine umfangreichen Netzberechnungen durchgeführt werden. (…) Auch die erforderlichen Mindestkapazitäten an konventionellen Kraftwerken können nicht ermittelt werden.“

Damit kann die Studie nichts darüber schlussfolgern, wie viele Kohlekraftwerke noch wie lange gebraucht werden. Und die Möglichkeit des Baus von Gaskraftwerken fällt einfach unter den Tisch, obwohl die Stadtwerke Cottbus genau das gerade vormachen. Eine Untersuchung des Bundeswirtschaftsministeriums vom November 2017, nach der 7 Gigawatt an Kohlekraftwerkskapazitäten bis zum Jahre 2020 abgeschaltet werden können, wird zwar erwähnt (S. 7), aber nicht diskutiert oder gar widerlegt. Aber in der Zusammenfassung taucht plötzlich der Satz „Kurzfristig ist daher ein Abschalten nicht möglich.“ im Bezug auf Braunkohlekraftwerke auf. Warum eigentlich keine umfangreichen Berechnungen? Kann sich das Brandenburger Wirtschaftsministerium die wirklich nicht leisten oder wäre das Ergebnis nicht im Sinne der Auftraggeber?

Welchen Ausbau Erneuerbarer Energien bis 2023 die Studie zugrundelegt, ist nicht erkennbar. Denn „aufbauend“ auf dem Referenzjahr 2017 (S. 25) kann alles und nichts heißen, auf ein veröffentlichtes Ausbauszenario wird jedenfalls nicht verwiesen. Es wurde „aus der installierten EE-Leistung die maximal mögliche EE-Einspeisung errechnet.“(S. 27) Hier keimt der Verdacht auf, dass hier einfach mit den 2017 installierten Erneuerbaren, aber weniger konventionellen Kraftwerken gerechnet wurde. Genaues weiß man nicht – sollte man bei einer seriösen Studie aber.

Fernwärmeauskopplung wird gleich auf Seite 2 als anlagenbedingter Erzeugungssockel dargestellt. Was für den kurzfristigen Kraftwerkseinsatz richtig ist, geht in der energiepolitischen Diskussion am Thema vorbei. So ist die gemessen an der Kraftwerksgröße sehr geringe Fernwärmenutzung aus Jänschwalde auch kurzfristig ersetzbar. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Cottbus machte in einer öffentlichen Diskussion am 28. März deutlich, dass der weitere Bezug von Fernwärme aus Jänschwalde nicht technisch notwendig sei, sondern den Stadtwerken lediglich wirtschaftliche Vorteile bei der Abschreibung ihres geplanten neuen Heizkraftwerkes bieten würde.

Auf Seite 45 ff. werden die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Flexibilitätserhöhung in den Lausitzer Kraftwerken aufgezählt. Es fehlt aber jede Angabe, wie viel Flexibilität damit erreicht wurde. Dadurch wird der für Entscheidungsträger so wichtige Vergleich mit den Alternativen zum Strom aus Lausitzer Kohlekraftwerken unmöglich. Beim Standort Boxberg wird zudem nicht klar, ob die genannten Maßnahme bei allen drei dortigen Kraftwerksgenerationen umgesetzt wurden und falls nicht, bei welchen.

Eine Berechnung der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass eine weitere Flexibilisierung (Senkung der Mindestleistung in Kombination mit Batteriespeichern) sich für den Betreiber einfach nicht rechnet (S. 49ff.):

"Dazu soll die Reduzierung der Mindesterzeugung an einem 800-MW-Braunkohleblock um 200 MW auf ca. 25 % im Strommarkt 2023 gespiegelt werden, um den Investitionsanreiz bzgl. der Flexibilitätserhöhung für den Anlagenbetreiber zu bewerten. (…) Bei Ansatz der Technologie mit den derzeit niedrigsten Kosten (Li-Ion-Batterien) im Kraftwerk wird die eigentliche Nettostromerzeugung gegenüber dem Ausgangszustand nicht kleiner.(...) Unter den getroffenen Annahmen überstieg eine notwendige Förderung sogar die Investitionskosten. Niedrigere Ansätze zu Betriebskosten und Mischzins verbesserten das Ergebnis tendenziell, änderten es gleichwohl nicht grundsätzlich."

In der Zusammenfassung wird aus diesem so klaren wie vernichtenden Urteil dann folgender verschwurbelter Satz:

„Für eine Wirtschaftlichkeitsbewertung sollten nicht nur die Investitionskosten und die direkten Nutzeffekte berücksichtigt werden, sondern auch Erlöse aus Mehrfachnutzung sowie aus ansonsten notwendigen Ersatzinvestitionen im Bereich der Standorte zur Sicherung externer Infrastrukturaufgaben.“

Soll hier zur Subventionierung von Braunkohlekraftwerken mit Strukturwandel-Geldern aufgefordert werden? Für entsprechende Projekte hat das brandenburgische Wirtschaftsministerium, also der Auftraggeber der Studie, kürzlich in Brüssel geworben.

Wenn Kohlekraftwerksbetreiber ihren Strom gern durch Batteriespeicher bedarfsgerechter einspeisen wollen, mögen sie das tun. Das Geld des Steuerzahlers darf aber nicht dafür verschwendet werden, gerade den klimaschädlichsten Strom am Markt zu halten.

Der Rundbrief als pdf

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Dieser Wald ist der Kohlegrube im Weg

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